Beschreibung
Erstmalig wird eine kompakte Darstellung des Zaubertheaters Ferdinand Raimunds vorgelegt, die einen schnellen Einblick in Handlung, Personal, Motive und Thematik gewährt. Nach Angaben zu Personal und Schauplatz des jeweiligen Stückes folgen eine Inhaltsangabe und die wesentlichen dramaturgischen und musikalischen Momente. Kurzinterpretationen, Anhang und Bibliographie vervollständigen den Band.
Autorenportrait
Jürgen Hein, geboren 1942, 1973–2007 Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Mitherausgeber und Bandbearbeiter der neuen historisch-kritischen Nestroy-Ausgabe sowie Vizepräsident der Internationalen Nestroy-Gesellschaft.
Claudia Meyer lehrt am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in der Abteilung Didaktik der deutschen Sprache und Literatur.
Rezension
Dieser zwar kurze, aber sehr dicht gefüllte Führer durch die Theaterstücke Raimunds bietet einen Einstieg in Hauptaspekte der einzelnen Werke; den Schluss des Bandes bilden ein Personenregister, eine ausführliche allgemeine Bibliographie (die Literatur zu den einzelnen Dramen findet sich in den jeweiligen Kapiteln) und – in etwas eigenartiger Reihenfolge ganz am Ende des Bandes – eine Zeittafel, die kurze Hinweise zu Liebes- und Krankheitsgeschichte bringt, sich aber in erster Linie auf Theatralisches beschränkt. Die beiden Bildteile bringen die wohl bekannten Szenenbilder vor allem aus den Stücken Der Bauer als Millionär und Der Alpenkönig und der Menschenfeind. Das erste Hauptkapitel besteht aus einer von Jürgen Hein verfassten, straff erzählten Biographie (zumindest steht nur sein Name in der Kopfleiste. Dabei wäre darauf hinzuweisen, dass die falsche Kopfleiste auf S. 69 einer der sehr wenigen drucktechnischen Fehler ist.), die neuere wissenschaftliche Akzentverschiebungen einem breiteren Publikum zugänglich macht und vor allem in der zweiten Hälfte oft ausgeklammerte kritische Ansätze verfolgt. Hervorgehoben werden das Zerrissene, das Ehrgeizige an Raimunds Charakter und das wenig Ideale an der Beziehung zu Toni Wagner (S. 12) – im Gegensatz zu Holtz (Günter Holtz, Ferdinand Raimund – der geliebte Hypochonder, Frankfurt/M. (usw.) 2002.) wird dem von Urbach edierten Tagebuch der Toni Wagner Rechnung getragen. Kurz skizziert wird auch die Morbidität in Raimunds Charakter, die (laut Peter von Matt) den Tod als einen vertrauten Bekannten gelegentlich herbeiwünschte (S. 17). Die Kapitel zu den einzelnen Dramen konzentrieren sich in erster Linie auf Inhalt und Thematik. Jedes Kapitel bietet ein Personenverzeichnis, Angaben zu Entstehung und Ausgaben sowie eine werkspezifische Bibliographie. Die zwei wichtigsten Teile jedes Kapitels sind eine detaillierte Zusammenfassung der Handlung mit Notizen zu den wichtigsten Textvarianten in den verschiedenen Werkausgaben sowie kurze Hinweise zur Deutung; dabei wird nichts grundsätzlich Neues geboten, aber verschiedene Richtungen der Interpretation werden präzis und gestrafft kommentiert, nicht zuletzt die Ergebnisse der neueren Forschung (z. B. Holtz, Scheit). Teilweise gegensätzliche Deutungen werden nebeneinander gestellt und nicht explizit gegeneinander ausgewertet – etwa Der Bauer als Millionär als Spiegelbild des österreichischen Vielvölkerstaates (Holtz), oder aber „kein kritisches Abbild der Wirklichkeit[, sondern] überzeitlich Exemplarisches” (Urbach). Das gilt auch für die regelmäßigen Versuche der Kategorisierung der Dramen, wobei man der Ansicht durchaus beipflichten kann, es handle sich bei den vielen Begriffen um einen „spielhaften Schwebezustand” (S. 40). In den Hinweisen zu Der Alpenkönig und der Menschenfeind kommen neue Ansätze klar zum Vorschein – das Neue im biedermeierlichen Volkstheaterrahmen sei vor allem in der Menschenhass-Thematik zu erblicken, die im theatralischen Schlusstableau keine zufriedenstellende Lösung findet (S. 61). Bei der Betonung der thematischen Aspekte kommen formale und stilistische Charakteristika, wie etwa die Komik Raimunds, leider zu kurz; das wäre aber bei dem gewählten Format schwer unterzubringen gewesen, da solche Aspekte wohl in einem eigenen Kapitel hätten behandelt werden müssen. Im äußerst gestrafften Rahmen bieten die 95 Seiten aber sehr viel Nützliches für Studenten und Wissenschaftler; lediglich auf die beiden zwar sehr kurzen Kapitel zu den im Nachlass gedruckten dramatischen Szenenreihen hätte man vielleicht verzichten können. Dass ein Buch über Raimund als Veröffentlichung der Nestroy-Gesellschaft erscheinen musste, ist einerseits ein weiteres Indiz dafür, dass – wie einer der Herausgeber des jetzigen Bandes in einer 2002 erschienenen Rezension selber konstatieren musste – die Raimund-Forschung immer noch im Schatten der Nestroy-Forschung steht; (Jürgen Hein, Rezension der Monographie von Günter Holtz (siehe Anmerkung 4), Germanistik 43, H. 3/4 (2002), S. 855. ) dass aber nach der Monographie von Günter Holtz (2002) jetzt ein so wichtiges Nachschlagewerk erscheint, das streckenweise als Kommentarband zur geplanten kritischen Ausgabe der Werke Raimunds fungieren könnte, ist andererseits ein viel versprechendes Zeichen für einen neuen Aufschwung in der Raimund-Forschung.