Beschreibung
Gilles Deleuze veröffentlichte in den 1980er-Jahren zwei Bücher über das Kino: Das Bewegungs-Bild und Das Zeit-Bild. Diese Bücher entfalten eine Taxonomie der Filmbilder und ihrer Zeichen, die zur Weiterarbeit und -nutzung einlädt. Deleuze, der keine Filmgeschichte vorlegen wollte, rekonstruiert sie beiläufig trotzdem und thematisiert einige hundert Filme. Er wendet sich der Frühzeit des Kinos ebenso zu wie den Avantgarden der 1970er-Jahre. Zugleich setzen sich seine Bücher mit den Arbeiten Bergsons und Peirces auseinander und weisen enge Bezüge zur eigenen Spätphilosophie auf, die Deleuzes zum Teil in Kooperation mit Félix Guattari entwickelt hat. Dies erklärt, warum es in den Büchern um viel mehr geht als nur ums Kino - u. a. um Leben, Werden, Wissenschaft und Denken. Es erklärt auch, warum Deleuzes Kino-Philosophie in der Filmwissenschaft als schwer zugänglich gilt - ein Eindruck, der durch die uneinheitlichen Übersetzungen der beiden Bände verstärkt wird. So verwundert es kaum, dass die deutschsprachige Rezeption im Vergleich zur anglo-amerikanischen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, insgesamt schleppend verläuft. Bewegungsbilder nach Deleuze vereint die Beiträge des Klagenfurter Symposions 2012, die sich mit der Entwicklung der Film- und Kinobilder seit 1985 beschäftigen und deren Ziel es war und ist, dem deutschsprachigen Diskurs Anstöße zu geben und Deleuze, der keine Schule gründen wollte, gerecht zu werden, indem sie versuchen, ihn >weiter zu denken<.
Autorenportrait
Olaf Sanders (*1967, Dr. phil.) ist seit dem Wintersemester 2013/14 Professor für Systematische Erziehungswissenschaft an die TU Dresden. Zuvor hat er nach Stationen als Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Hamburg und Lecturer and der Universität zu Köln für drei Semester die Professur für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Eberhard Karls Universität Tübingen vertreten. Im Wintersemester 2013/14 lehrte er als Gastprofessor zugleich am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt. Olaf Sanders habilitierte sich 2010 an der Universität zu Köln mit einer Arbeit zu Deleuzes Pädagogiken. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Bildungsphilosophie, Theorien populärer Kulturen und Medien sowie Filmbildungsforschung.
Inhalt
Olaf Sanders / Rainer Winter
Bewegungsbilder nach Deleuze. Eine kleine Einführung
Hanjo Berressem
Licht nach 1985
Silke Martin
Vom "superchamp" zum "hors-son" oder wie Klänge Bilder erzeugen
Drehli Robnik
Intim, im Team, in time mit Deleuze: Vom Affektbegriff, Richtung Politik gewendet, zu Coppolas Komplotten und "Patton", Mindgame Movies und "Inglourious Basterds"
Oliver Fahle
Zeitbild und Mindgame Movie. Betrachtungen zum (paradoxen) Film der Gegenwart
Nataliya Kolisnyk
Kiarostamis Bewegungs-Zeit-Bild oder der Film nach Deleuze
Olaf Sanders
Jarmuschs amerikanisches Rhizom
Jan-Nicolai Kolorz
Die Welt ist alles, was fällt. Über Terrence Malicks Zeit-Bild-Kino
Patricia Pisters
Neurothriller
Rainer Winter
Fluchtlinien und Prozesse des Werdens in "The Wild Bunch". Sam Peckinpah trifft Gilles Deleuze und Félix Guattari
Sebastian Nestler
Film als Wunsch- und Lehrmaschine
Manuel Zahn
Memory as a Splitscreen. Gedächtnis, personale Identität und ihre Montragen im digitalen Film?-?"The Tracey Fragments"
Marcus S. Kleiner / Marcus Stiglegger
Vom organlosen Körper zum Cinematic Body und zurück?- Über Deleuze und die Körpertheorie des Films in Gaspar Noés "Enter The Void"
Jan Jagodzinksi
Dreamland Welcomes You. Eine Schizoanalyse von Pawel Pawlikowskis "Last Resort"