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Gegenwartsliteratur. Ein Germanistisches Jahrbuch /A German Studies Yearbook / 5/2006

Schwerpunkt: Elfriede Jelinek

Lützeler, Paul Michael / Schindler, Stephan K.
Erschienen am 01.01.2006, Auflage: 1., Aufl.
CHF 42,90
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783860575765
Sprache: Englisch
Umfang: 298
Format (T/L/B): 22.0 x 15.0 cm

Beschreibung

Imke Meyer: Kulturkritik und Postmoderne: Elfriede Jelineks früher Roman Michael In Jelineks Roman Michael. Ein Jugendbuch für die Infantilgesellschaft (1972) gehen Argumentationen der Frankfurter Schule und ein emanzipatorischer Erzählanspruch eine postmoderne Verbindung ein. Der Text ist nicht durch den Widerspruch zwischen postmoderner Ästhetik und aufklärerischer Moderne belastet, weil er vor Habermas’ Adorno-Preisrede von 1980 mit ihrer Ablehnung der Postmoderne entstand. Jelineks Roman entwirft das Wunschbild eines mündigen und aufgeklärten Individuums, das die Produkte der Kulturindustrie konsumieren kann, ohne sich von ihnen manipulieren zu lassen. Dieses Wunschbild antizipiert jenen Konsumenten massenmedialer Produkte, der sich damals durch die zeitgenössische nordamerikanische Medienlandschaft bewegte. Im deutschen Sprachraum wird sich dieser Konsument etablieren, wenn die Wirkung der Habermas-Zäsur abklingt und sich das Verhältnis zur Postmoderne entspannt. Claudia Liebrand: Traditionsbezüge: Canetti, Kafka und Elfriede Jelineks Roman Die Klavierspielerin Elfriede Jelinek ist eine Meisterin der Zitation und Allusion. Ihre provozierenden Texte stellen Bezüge zu unterschiedlichsten literarischen Traditionen her, die spielerisch aufgerufen und durchquert, parodiert und kontrafaziert werden. Der Aufsatz nimmt einen der — von der Forschung bislang nicht fokussierten — Traditionsbezüge in den Blick und führt einen prominenten Text des Œuvres, den Roman Die Klavierspielerin aus dem Jahr 1983, zurück auf die Klassische Moderne. Gelesen wird das Buch als literarisches Projekt, das Elias Canettis Roman Die Blendung, den ersten Teil einer geplanten "Comédie Humaine an Irren", fortsetzt und dessen Ende Franz Kafkas Romanfragment Der Proceß transkribiert. Nele Hempel: Geschlechterdifferenz: Elfriede Jelineks Drama Krankheit oder Moderne Frauen Die im westlichen Kulturkreis auf ihren Körper und seine Reproduktionsfähigkeit reduzierte Frau negiert in Elfriede Jelineks 1987 uraufgeführtem Stück Krankheit oder Moderne Frauen ihren “natürlichen” weiblichen Körper: Die Protagonistinnen sind zunächst Vampirinnen, am Ende wachsen sie als monströs-groteskes Doppelgeschöpf zusammen. Die fiktionale Dissolution der Körperlichkeit als Voraussetzung weiblicher Selbstbestimmung und die faktische Unmöglichkeit, außerhalb des materiellen, geschlechtskodierten Körpers wahrgenommen zu werden, stellen hier das zentrale Dilemma dar. Das Konzept feministischer Positionalität und interdisziplinäre Ansätze zur Politisierung des Körpers lassen die Darstellung der Geschlechterdifferenz in Jelineks avantgardistischem Theatertext verständlich werden. Fatima Naqvi: Elfriede Jelinek’s Post-Dramatic Stress Disorder: Analysis of a Programmatic Aggression Elfriede Jelinek's post-dramatic theater, which takes leave of conventional plot lines, dramatis personae, and mimetic identification, is an ambivalent undertaking. She employs an “aesthetic of risk” that foregrounds the position of the author. The author speaks both as aggressor, imitating the dominant discourse and bringing out its absurdities, and as victim of this discourse. In her programmatic texts “Ich möchte seicht sein" and “Sinn egal. Körper zwecklos,” Jelinek does away with the mirroring of consciousness without jettisoning affective involvement. She denigrates traditional actors at the expense of the director and of the author, putting the audience in an epistemologically and ontologically untenable position. Jelinek's “post-dramatic stress disorder” finds its clearest expression in her 1998 play Ein Sportstück. Gabriele Dürbeck: Ideologiekritik im postdramatischen Theater: Thirza Brunckens Uraufführung von Elfriede Jelineks Stecken, Stab und Stangl Der Beitrag setzt sich mit der These auseinander, dass die Übermittlung der ideologiekritischen Dimension in Jelineks dramatischem Werk an die diskursive Dominanz des Textes gebunden sei. Am Beispiel von Stecken, Stab und Stangl wird gezeigt, inwiefern die artifiziell montierten Textassemblagen aus Täter- und Opfersprache als Träger eines performativen Prozesses ohne eindeutige Bedeutungszuweisung der Zeichen fungieren und dem postdramatischen Theater zuzurechnen sind. Die detaillierte Analyse der Uraufführung des Stücks erweist, dass der kritische Umgang mit der Textvorlage sowie die eigenständige Verwendung anderer theatraler Elemente (Bühne, Requisiten, Musik, darstellerische Ausdrucksmittel) die ideologiekritische Dimension des Textes zu konkretisieren vermag. Sie macht damit die latente Gewalttätigkeit eines Alltagsbewusstseins sinnlich erfahrbar, in dem sich Rassismus, Verdrängung und Gemütlichkeit vermengen. Steve Dowden: Ethical Style: Susan Sontag in Sarajevo, Elfriede Jelinek in Vienna Certain of Susan Sontag’s basic aesthetic principles help to shed light on Elfriede Jelinek’s achievement. Above all, the two writers share a common emphasis on the relationship between form and ethics. For both of them aesthetic form, not an edifying “message,” gives art its ethical force. Some of Jelinek’s narrative rhetoric is explored in order to show how she invests form with the function of making the reader an active participant of artwork. This does not signify emotional involvement with the protagonist, since Jelinek repeatedly thwarts any sentimental moralizing in her readers. A tension between voyeurism and repulsion constantly leads the reader back to the surface. The novel turns out to be not a stable text but an unstable, challenging activity or performance. Andreas Blödorn: Medialisierung des Krieges: Mit Susan Sontag in Elfriede Jelineks Bambiland In Elfriede Jelineks Bambiland nimmt die Erzählinstanz als ‘eingebetteter Beobachter’ die medial vermittelte und konstruierte Wirklichkeit des Irakkrieges in den Blick. Der Beitrag positioniert Jelineks Medienkritik im Lichte ihrer Sprach- als Machtanalyse. Die Frage nach dem Realitätsgrad der Fernsehbilder wirft dabei nicht nur die Frage nach dem sprachlichen und literarischen Umgang mit den Repräsentationen des Krieges auf, sondern unterminiert zugleich die Grenzen zwischen realer und medialer Wirklichkeit, zwischen Tätern und Opfern, zwischen Akteuren und Zuschauern. Im Rekurs auf Susan Sontags “Regarding the pain of Others” zeigt sich die Involviertheit des Bildbetrachters in das reale Leiden anderer. Im Fokus steht damit ein für Jelineks Dichtung zentrales poetologisches Problem: ob und wie der Macht der Bilder und der Sprache des Krieges literarisch zu entkommen ist. Bettina Brandt: The Poetics and Tropes of Translation: Elfriede Jelinek’s Afterlife An important function of translation has always been to promote specific regional, local, and national identities. Yet Elfriede Jelinek, whose work has been translated into more than forty languages, announced shortly after having being awarded the Nobel Prize in Literature that her writings are effectively untranslatable. This article questions the use of translation as trope and, more importantly, the tropes of translation in order to ponder what must be abandoned and what can be carried across in the process of translation. To do so, it focuses on a few sample translations of a passage of Jelinek's most frequently translated novel, Die Klavierspielerin. Finally, it argues that in the process of translation, meaning is not only carried over and dislocated but is also displaced in unpredictable ways. Günter Blamberger: Poetik der Unentschiedenheit: Zum Beispiel Judith Hermanns Prosa Judith Hermanns Erzählbände Sommerhaus, später und Nichts als Gespenster lassen sich als metahistory verstehen, als Reflexionsmedium eines Krisenbewußtseins der jüngsten deutschen Autorengeneration um 2000, die Deutschland als einen Wartesaal ohne Perspektive erlebt. Die Reaktion darauf heißt Tristesse Royale als zeitgemäßer Ausdruck der Melancholie, ihr korrespondiert bei Judith Hermann eine Poetik der Unentschiedenheit. Sie resultiert aus der Detemporalisierung und Entdifferenzierung des literarischen Feldes nach der Wiedervereinigung. Stillstand herrscht im Fortschritt, es fehlt der Generationenkonflikt als Katalysator der eigenen Kreativität. So entwirft Judith Hermann Bilder einer culture-mort, in der die vergangenen Stimmen wie Gespenster in der Gegenwart der eigenen Stimme wiederkehren, ihre Autorschaft ist neohistoristische Sammelkunst, ihre Poetik wird bestimmt von den Verfahren des Re-Make und Re-Mix, von der Aufhebung des Richtungssinns in den Zeit- und Raumkonzeptionen und in der Narratologie. Thomas Borgstedt: Wunschwelten: Judith Hermann und die Neuromantik der Gegenwart Die Kunst der Gegenwart kennzeichnet ein neues Interesse an romantisierenden Phantasie- und Wunschwelten. Deren imaginäres Potential wird stark gemacht, um Defizite der heutigen individualisierten Gesellschaft aufzuzeigen. Eine solche Aktualisierung der Romantik ist auch für die Erzählungen Judith Hermanns besonders charakteristisch. Dass sie damit literarisch nicht allein steht, wird durch Beispiele weiterer zeitgenössischer Erzähltexte illustriert. Hermanns Prosa setzt Verfahren erzählerischer Rahmung ein, um die problematische Klischeehaftigkeit ihrer romantisierenden Motive zu kennzeichnen und dadurch zugleich aufzufangen. In ihrer Erzählung “Rote Korallen” verteidigt die Autorin ihr subjektbezogenes Schreiben gegen den in den Debatten der neunziger Jahre erhobenen Vorwurf der Geschichtsvergessenheit einer vermeintlich unbelasteten Nachwendeliteratur. Anke S. Biendarra: Globalization, Travel, and Identity: Judith Hermann and Gregor Hens The interplay of globalization and identity politics in recent travel narratives is the focus of this essay. The article employs the concept of cultural deterritorialization to analyze how texts by Judith Hermann (Nichts als Gespenster) and Gregor Hens (Transfer Lounge and Matta verlässt seine Kinder) problematize post-national identity constructions. Both authors depict a homogenized, Westernized world inhabited by global tourists. Their conspicuous sense of homelessness prevents an anchoring in a local environment and leads to the fissure of stable identities and functioning social networks. While this literary rendering of deterritorialized, global subjects is a criticism of the alienating forces of globalization, it also needs to be recognized as a form of creative engagement that speaks for its aesthetic potential. Anne Fuchs: After-Images of History: Thomas Medicus’s In den Augen meines Großvaters The landscape discourse in Thomas Medicus’s In den Augen meines Großvaters is analyzed here. The argument is presented that this novel is a particularly interesting example of the contemporary German family narrative because it reintroduces the idea that landscape is a prime vessel for the transmission of cultural memory. The article examines how Medicus switches between landscape discourse and territorial discourse to explore the epistemological limits of the idea of postmemory. While many contemporary family narratives embrace the poetic license of postmemorial discourse, Medicus submits such imaginative reinvention of the past to critical analysis. By projecting landscape images onto the territorial map of the National Socialist colonization of the East, he exposes the ideological connections between landscape, Heimat, and territory.