Beschreibung
Im 125. Todesjahr von Friedrich Nietzsche scheint vollkommen zuzutreffen, was Jürgen Habermas bereits vor einem halben Jahrhundert erklärt hat: Dessen »eigentümliche Faszination liegt hinter und ist fast schon unverständlich geworden. Nietzsche hat nichts Ansteckendes mehr.« In einer paradoxen Würdigung soll die vorliegende Veröffentlichung eines Vortrags von Alain Badiou aus den frühen 1990er Jahren nun nicht noch eine weitere Schippe auf Nietzsches Grab werfen. Vielmehr soll sie zeigen, dass Nietzsche noch immer etwas Ansteckendes an sich hat, nimmt man ihn als archi-politischen Denker des philosophischen Aktes und Ereignisses ernst. Aus dieser Perspektive ist Nietzsche, wie Badiou sagt, »jemand […], den man zugleich entdecken, finden und verlieren muss [...].
Diese Entdeckung, diesen Fund, diesen Verlust empfinde ich oft hinsichtlich all jener großen Antiphilosophen dieses Jahrhunderts wie Nietzsche, Wittgenstein und Lacan. Und von all den dreien – aber der Fall Nietzsches ist zweifellos der dramatischste – scheint es mir, dass sie sich immer am Ende des Tages für die Philosophie selbst geopfert haben. Es gibt in der Antiphilosophie eine Bewegung des Sich-Selbst-Tötens oder Zum-Schweigen-Bringens, um der Philosophie gewissermaßen etwas Imperatives zu vermachen. Die Antiphilosophie dieses Stils ist immer das, was auf ihrem Gipfelpunkt der Philosophie eine neue Aufgabe
verkündet oder ihr ein neues Mögliches in der Form einer neuen Aufgabe vorschreibt. Ich denke an Nietzsches Wahnsinn, ich denke an die Wege des eigenartigen unpersönlichen und unsichtbaren Labyrinths, auf denen Wittgenstein vorgeht, ich denke ebenso an den abschließenden Mutismus von Lacan. In diesen drei Fällen, und dies sage ich beinahe mit einem schmerzhaften Empf inden von Nähe, scheint es, dass die Antiphilosophiesich einem Vermächtnis überlässt, das sie über sich hinaus dem
vermacht, was sie bekämpft.«