Beschreibung
Am 17. September 1978 verbrannte sich der evangelische Pfarrer Rolf Günther während des Sonntagsgottesdienstes in Falkenstein vor den Augen von etwa 300 Gläubigen. Eine Verzweiflungstat in der Kirche, vor dem Altar, vor den Augen der eigenen Gemeinde, anstelle der Predigt – ein Fanal. Die Selbstverbrennung belastete das damals oft beschworene gute Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR, so dass beide Seiten – wenn auch aus sehr unterschiedlichen Motiven – daran interessiert waren, den Fall Günther nicht an die Öffentlichkeit zu bringen.
Die vorliegende Studie rekonstruiert diese Episode der sächsischen Kirchengeschichte und ordnet sie in die politische, kirchliche und religiöse Situation der 1978er Jahre ein. Sie beleuchtet zum einen die Gründe für Günthers Verzweiflungstat, die auch mit der besonderen Situation der ev. Kirche in der DDR und den Aktivitäten der charismatischen Bewegung in Falkenstein zusammenhängen.
Ein weiterer Aspekt ist das Verhalten des Staates und der Stasi. Letztere nutzte die Verzweiflungstat, um neue Methoden der Kirchenbearbeitung einzuleiten. Sie drang geheimdienstlich in die Kirche ein und wirkte auf sie ein, um sie im Sinne des Staates langfristig zu verändern. Mit dem Fanal begann eine neue Ära der
konspirativen Kirchenbeeinflussung – besonders für die sächsische Landeskirche. Die Stasi verfolgte das Ziel, die Kirche zu schwächen und in der Bedeutungslosigkeit versinken zu lassen. Die von der Stasi eingeleiteten Maßnahmen haben eine Langzeitwirkung, die nicht zwingend mit dem Untergang des DDR-Regimes aufgehört hat.
Heute scheint die Zeit reif zu sein, die Ereignisse um das Fanal und das schwierige Staat-Kirche-Verhältnis zu rekonstruieren, damit das Fanal von Falkenstein nicht zu dem wird, was die damaligen Machthaber mit ihren konspirativen Aktivitäten beabsichtigten: Das schnelle und folgenlose Vergessen einer Einzeltat.
Der vorliegenden, zweiten Auflage wurden zusätzliche Dokumente hinzugefügt. Dabei fand auch die Diskussion um das Buch selbst Berücksichtigung.
Autorenportrait
Edmund Käbisch, geb. 1944 in Waldenburg/Schlesien, nach der Vertreibung Kindheit und Jugend in Kamenz, Theologiestudium in Leipzig, 1970 Pfarrer in Quesitz, 1979 Promotion zum Thema Jugend und Gebet, 1981 2. Pfarrer am Dom zu Zwickau, 1999 im Rahmen von Strukturveränderungen und Einsparungen bei der sächsischen Landeskirche in den Ruhestand versetzt, heute Religionslehrer, Patientenfürsprecher, Leiter des Arbeitskreises für die Partnergemeinde Nkwatira in Tanzania, Gründungsmitglied des Vereins D.A.V.I.D. – Mobbing in der evangelischen Kirche.