Beschreibung
Fragt man nach den Gründen der gegen Ende der sechziger Jahre allgemein konstatierten Krise der Literaturwissenschaft, so erscheint diese zum einen als Folge jahrzehntelanger Vernachlässigung von Theoriebildung, zum anderen als Konsequenz des schon von Walter Benjamin angeprangerten "Exorzismus von Geschichte". Während im Bereich der Theoriebildung derzeit viele interessante, vorwiegend unter strukturalistisch-semiotischer Ägide stehende Neuansätze zu verzeichnen sind, mangelt es weiterhin an konkreten Versuchen, Literaturgeschichte in ihrem dialektischen Zusammenhang mit der allgemeinen Geschichte zu beschreiben. Dies erklärt sich daraus, dass die herrschende Autonomie-Ästhetik mit ihrer Abspaltung der Kunst aus der historischen Totalität ein unter präzisierbaren geschichtlichen Bedingungen gewordenes Konzept als endgültiges zu hypostasieren versucht. Die im Umkreis und in der Nachfolge Adornos zu beobachtende Konzentration der Forschung auf das nicht-organische/avantgardistische Kunstwerk muss, da sie den Bereich der mimetischen engagierten Kunst als minderwertige Didaxe ausblendet, an der Faktizität der literarischen Entwicklung vorbeigehen. Diese kann adäquat nur beschrieben werden, wenn die seither übliche Konzentraion auf die ästhetischen Spitzenprodukte aufgegeben wird zugunsten der Analyse des literarischen Gesamtbestands eines Zeitabschnitts.