Beschreibung
Wieso trugen Angehörige einer »minderwertigen asiatischen Rasse« Wehrmachts- und SS-Uniformen? Die Geschichte der Kollaboration mit dem NS-Regime ist vielschichtiger und disparater, als es eine verkürzte Betrachtung ohne Berücksichtigung der »Minderheitenpolitik« in der Sowjetunion zu erklären vermag. Der Historiker Iftikhor Shomurodov hat deutsche wie (post-)sowjetische Archivunterlagen und Publikationen gesichtet und Zeitzeugen sowohl in Deutschland als auch in Usbekistan befragt. Insbesondere untersuchte er die Motivation der Mittelasiaten, die als Kriegsgefangene oder als Emigranten der Vorkriegszeit zu Kollaborateuren wurden und nach Kriegsende entweder in den westlichen Machtbereich entkamen oder in ihre einstige Heimat repatriiert wurden, wo sie Lager, Zwangsarbeit und Stigmatisierung erwartete. Mit dem Zusammenbruch der UdSSR wurden die einstigen Kämpfer auf deutscher Seite nicht selten zu Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung stilisiert. Diese historische Untersuchung ist eine Darstellung jenseits der Mythen des Kalten Krieges und versucht die Gleichzeitigkeit von Täter- und Opferrolle dieser mittelasiatischen Kriegsteilnehmer angemessen zu berücksichtigen.
Inhalt
1. Einführung, Forschungsstand und Gegenstand der Untersuchung
2. Quellen und Methode
2. Die Sowjetvölker an deutscher Seite
2.1 Stellung der Ostvölker im Dritten Reich
2.2. Multinationale Helfer der Wehrmacht
2.3 Russische Kollaboration und General Andrej Wlassow
3. Die Turkestan-Legion
3.1. Nationalsozialistische und panturkistische Kooperation
3.2. Geopolitische Ziele der Nationalsozialisten in Mittelasien
3.3. Aufstellung der Mittelasiaten in der Wehrmacht
3.4. Die 162. Turk-Infanteriedivision
3.5. Turkestaner im »Unternehmen Zeppelin«
3.6. Turkestaner in der »Abwehr«
3.8. Der Osttürkische Waffenverband der SS
3.9. Anzahl der Mittelasiaten auf deutscher Seite
4. Propaganda und ideologische Betreuung bei der Turkestanischen Legion
4.1. Das Nationalturkestanische Einheitskomitee
4.1.1. Ethnische Diskrepanzen in der turkestanischen Führung
4.1.2. Der Wiener Nationalkongress
4.2. Die »Arbeitsgemeinschaft Turkestan«
4.3. Mittelasiaten und das »Wlassow-Komitee«
5. Vom Rotarmisten zum Wehrmachtssoldaten. Motive für den Eintritt in die Legion
5.1. Antikommunistische Motive der Legionäre
5.2. Materialisten, Opportunisten oder Idealisten?
5.3. Situation in der Roten Armee vor dem Krieg
5.3.1. »Kanonenfutter« für die Wehrmacht
5.3.2. Natzmen, Horden und Schwarze
5.3.3. »Es gibt keine Gefangenen, sondern nur Verräter«
5.4. Mittelasiaten in deutscher Gefangenschaft
5.4.1. Anwerbung zur Legion
5.4.2. Ausbildung der Legionäre
5.5. Kampf für »Groß-Turkestan«
5.6. Sowjetische Muslime gegen Stalin
5.7. Turkestanische Legionäre im Kriegsalltag
5.7.2. Legionäre und deutsche Zivilbevölkerung
5.7.2. Turkestanische Legionäre in der deutschen Presse
5.8. Mittelasiaten an der Westfront
6. Abrechnung mit der Kollaboration
6.1. Die Repatriierung der Legionäre
6.2. Nach Hause wider Willen?
6.4. Filtration und GULAG
6.4. Das Leben der »Verräter« in der Heimat
6.5. Verräter oder Nationalhelden?
7. Von der Kollaboration zur politischen Zusammenarbeit
7.1. Die Suche nach der »neuen Heimat«
7.2. Reorganisation in Westdeutschland
7.2.1. Das Ende der »National-turkestanischen Einheit«
7.2.2. Der Verband für muslimische Flüchtlinge
7.3. Eine neue Heimat in der Türkei
7.4. Exil-Turkestaner im Kalten Krieg
7.4.1. Radio Liberty und Voice of Amerika
7.4.2. Die Turkistan American Association (TAA)
7.5. Exil-Turkestaner in der sowjetischen Öffentlichkeit
8. Zusammenfassung