Beschreibung
off season
Eben noch Kinderlachen. Ballspiele. Gelati schleckende Teenager. In der Sonne aalende, gebräunte, satte Körper. Eisgekühlte Sektflaschen unter Sonnenschirmen. Das nächtliche Stampfen der Discomusik. Aber das Ende der Ferien ist greifbar nahe, der Abschied gewiss. Der Spätherbst leert die Strände. Die Diskotheken verstummen. Die Tanzflächen bleiben ohne Tänzer. Familien mit Schulkindern brechen auf, fahren Richtung Norden. Unterwegs kreuzen sie die Bahnen alljährlich südwärts strebender Zugvögel.
Off season. Das ist jedes Jahr neu die Abschiedsgala der Bademeister. Mit Hochdruckreinigern spritzen sie die Liegestühle und Sonnenschirme sauber, holen sie die Tretboote ein. Sie nageln die Strandhäuschen zu, schotten sie mit schweren Holzplatten gegen die zu erwartenden Winterstürme ab. Im Dorf schliessen die Geschäfte. Vor dem vergitterten Kiosk bleibt der Zeitungsaushang ohne Schlagzeile. Der Bus stellt auf Winterfahrplan um. Eine milde Herbstsonne ertrinkt blutrot im Abenddunst über dem Meer. Wellen schleifen die Sandburgen der Kinder. Mit diesem Meer habe ich schon gerungen. Wie lange das her ist! Heute wehre ich mit meinem Fotoapparat melancholische Trauer ab. Dass aber auch nichts bleiben kann, wie es ist!
Die Formsprache meiner Fotografie spiegelt die wehmütigen Gefühle. Immer öfter greife ich zum Weitwinkelobjektiv. Die Welt rückt von mir ab. Wasser- und Sandflächen. Leere Räume. Der weite Winkel krümmt die Uferlinie, wölbt den Horizont, gibt der Erde ihre Rundung zurück, lässt sie schrumpfen. Und mich stellt dieses Objektiv an meinen bedeutungslosen Platz zurück.
Off season. Das bin ich. Wie ich da stehe, die Füsse im Wasser. Den Wellenschlag zwischen den Beinen. Mit jeder Welle eine neue Erinnerung. Das Wasser schwemmt mir den Sand unter den Füssen weg. Ich sinke ein, verliere Halt.
Was immer ich fotografierte, war es mehr als Oberfläche? Die Zeit ist flüchtig. Erst war sie analog, jetzt ist sie digital. Ich muss an die vielen von mir fotografierten Menschen denken, die schon nicht mehr sind. Meine Fotos gleichen den Spuren der Strandgänger im Sand. Jede neue Flut radiert sie mitleidslos weg. Die Bilder, die mir verbleiben, sind von der abfliessenden Zeit ausgeschwemmte Larven, sind Hüllen.
Dennoch, – kommt der nächste Herbst, kehre ich zurück. Meine Kamera mit dabei. Ich werde fotografieren – solange mir das vergönnt ist.
Autorenportrait
Peter Schneider is a photographer from Zürich. His photos are regularly published in Press magazines and his work has been featured in a variety of exhibitions and published in a number of books. For more information, see www.peter-foto.ch
Peter Schneider, Jurist, Berufs- und Fachhochschullehrer. Während Jahren freier Journalist, Fotograf, Verfasser von Foto-Reportagen für Zeitungsmagazine, Autor zahlreicher Bücher. Mehr zu seiner Biografie unter www.peter-foto.ch