Beschreibung
Arthur Schnitzler und Theodor Herzl kennen sich seit ihrer gemeinsamen Studienzeit an der Universität Wien. 1892 beginnt ihr Briefwechsel. Herzl träumt damals von einer Erfolgskarriere als Bühnenautor. Im November 1894 ist er noch Korrespondent der Neuen Freien Presse in Paris. An seinen literarischen Mentor Schnitzler schickt er das Manuskript seines Stücks 'Das neue Ghetto' in der Hoffnung, Zuspruch und Unterstützung zu bekommen. Schnitzler aber merkt sofort, dass er weder den literarischen Stil mag, noch die Ansichten Herzls über die 'Judenfrage' teilt. Damals ist Herzl von der zionistischen Idee noch weit entfernt, dennoch ist Schnitzler mit diesem Tendenzstück nicht einverstanden: Nicht die jüdische Assimilation hat in seinen Augen versagt, sondern die Wiener Gesellschaft, in der Antisemitismus zum Kulturcode geworden sei. Im Januar 1898 wird das Stück im Carltheater in Wien aufgeführt - Sigmund Freud sitzt im Publikum: Die 'Traumdeutung' legt über seinen nachhaltigen Eindruck Rechenschaft ab. Schon damals steht Freud seinem 'Doppelgänger' Schnitzler in der 'Judenfrage' näher als dem Zionismus Theodor Herzls.
Autorenportrait
Jacques Le Rider lehrt seit 1990 Germanistik an der Universität Paris VIII in Saint-Denis; 1994 bis 1996 Kultur- und Wissenschaftsrat der französischen Botschaft in Österreich; Direktor des französischen Kulturinstituts Wien; Mitherausgeber der Zeitschrift 'Revue germanique internationale'. Bücher: 'Der Fall Otto Weininger. Wurzeln des Antifeminismus und des Antisemitismus' (1985), 'Das Ende der Illusion. Zur Kritik der Moderne. Die Wiener Moderne und die Krisen der Identität' (1990), 'Hugo von Hofmannsthal. Historismus und Moderne in der Literatur der Jahrhundertwende' (1997), 'Nietzsche in Frankreich' (1997), 'Les couleurs et les mots' (1997), 'Autour du >Malaise dans la culture< de Freud' (1998).