Beschreibung
Vorwort: Steffen Marciniak:
Moritaten, eine volkstümliche Form des Erzählliedes, — Schauerballaden, Bänkelsang von Mord- und Gräueltaten, welche drei Jahrhunderte bis ins frühe 20. Jahrhundert dargeboten wurden —, sind heute kaum noch präsent. Sie waren zugleich Nachrichtenübertragungen, orientierten sich an wahren Ereignissen, literarisch ausgeschmückt, auf Jahrmärkten vorgetragen, auf öffentlichen Straßen und Plätzen, häufig begleitet von Drehorgel, Harfe oder Violine. Um die Dramatik zu erhöhen, wurden Bilder auf Leinwänden oder Moritatentafeln präsentiert, auf die mit einem langen Stock gezeigt wurde.
Als Moritatensänger aus den Stadtbildern längst verschwunden waren, schrieb Bertolt Brecht seine Dreigroschenoper und hob mit der Moritat von Mackie Messer, durch Kurt Weill mit seiner Leierkastenmusik begleitet, den schaurigen Bänkelsang noch einmal aus der Versenkung.
Nun ist die Moritat als Mittel von Nachrichten oder Unterhaltung den modernen Medien gewichen. Goethes Schwager Christian Vulpius stellte mit dem Erfolg seines "Rinaldo Rinaldini" selbst den Dichterfürsten in den Schatten. In der Zeit von überall verfügbaren Informationen kann man sich kaum vorstellen, wie eine Räuber-Moritat einst die Gemüter bewegte. Heute lesen wir Wolfgang Fehse, hören seinen skurrillen Witz mit Lust, dem man sich nicht
entziehen kann. Er verführt, seine Strophen mitzusingen; mit starker Leidenschaft, ohne je zynisch zu werden, regt er das Wiederentdecken des Bänkelsangs an, versetzt uns dabei ganz modern in die heutige Zeit, die, an Chaos kaum zu überbieten, ohne einen solchen Humor kaum noch zu ertragen ist. Kongenial, wie zu alten Zeiten, verweisen die Illustrationen von Eva-Maria Nerling auf die althergebrachte Symbiose aus Text, Musik und Bild.