Beschreibung
Es ist die Biomacht an der Macht. Die Welt ist jetzt eine Stadt. Ist eine Stadt, die stumm ist. Es sind weiße Lappen vor den Mündern. Es ist eine Milchhaut. Es sind Pilze, die sie gezwungen werden zu essen. Es ist ein verseuchtes Land. Es sind abgebundene Lippen. Sind Lippen in Laken, in Leinen. Es sind Kinderlippen in Leichentüchern. Es sind blutende Nasen von Schülern, Bauchweh im Unterricht, der zwischen verrotteten Trümmern stattfindet. Es ist eine Lüge. Es wird totgeschwiegen. Es sind verfallene Wolkenkratzer. Es ist eine Glücksinsel, sagt man. Es ist ein Mann, der auf einem Fahrrad umher fährt, seine Frau zu suchen. Es ist ein Kaninchen, ohne Ohren geboren. Es ist Strahlen, Erbrochenes, ausgestorbene Straßentrümmer. Es sind Gesichter von Menschen, Lappen vorm Mund, die Schlitze der Augen: Schauen, schauen. Es sind Großstadtgerippe. Es sind keine Worte darüber. Es ist ein weißes Tuch im Gesicht. Es sind verbundene Lippen. Es sind keine Schlagzeilen mehr. Es gibt keine Sprache dagegen. Es wird totgeschwiegen.
Autorenportrait
Sophie Reyer, geb. 1984, studierte Germanistik in Wien und Komposition an der Musikuniversität Graz und lebt ebendort als freischaffende Schriftstellerin und Komponistin. Seit 2009 ist sie Mitglied der Redaktion der Literaturzeitschrift Lichtungen. 2014 erlangte sie ein Diplom an der Kunsthochschule für Film und Medien Köln, Schwerpunkt Drehbuch.