Beschreibung
Die gusseisernen Begriffe unserer Zeit, die sich so sehr auf der Seite des Guten wähnen, aber gar nicht mehr empfunden werden, zerstören das Gleichgewicht der Wahrheit und schicken Frequenzen der Störung aus, die sich etwa dann zeigen, wenn beispielsweise immerfort von Gleichberechtigung oder Solidarität gesprochen wird, ohne dass diese je eingelöst würden. Das entleerte Wort wird mit jeder Wiederholung nur noch leerer ins Gedächtnis eingepflanzt, bis es gänzlich in die Lüge kippt. Wer sich dieser gusseisernen Gesinnung der Leere hingibt, ohne selbst zu denken, stützt die Sprache der Lüge. Er sieht nicht mehr nach echter Sprache suchend in sich selbst hinein, sondern ertaubt mit der Zeit an der entleerten Wiederholung. Die Integrität der eigenen Wahrnehmung kann ihn dann auch nicht mehr stützen. Von einer solchen Verfasstheit regelrecht im Innen eingezäunt, ist keinerlei Aufbegehren mehr möglich - auch in sich selbst nicht.
Autorenportrait
Marica Bodroi, 1973 in Dalmatien geboren, siedelte 1983 nach Hessen über. Sie schreibt Gedichte, Romane, Erzählungen und Essays, die bisher in siebzehn Sprachen übersetzt wurden. Für ihr bisheriges Werk wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Manès-Sperber-Literaturpreis für ihr Gesamtwerk und dem Irmtraud-Morgner-Literaturpreis 2023.