Beschreibung
Heinz Witte, so der ursprüngliche Name des Malers, hat als Sohn eines kleinen Bauern aus Hude / Oldenburg eine staunenswerte Biographie vorzuweisen. Sein Lebensweg, der auf dem Lande viehhütend begonnen hatte, führte ihn im Jahre 1897 zunächst nach Italien, dann 1899 nach Paris und später auf zahlreichen Reisen um die halbe Welt bis nach Indien. In Frankreich hatte er schon während seiner Studienjahre Umgang mit zahlreichen Malern gepflegt. Über seine zahlreichen Bekanntschaften und Freundschaften mit diesen Künstlern, von denen einige später Weltruhm erzielten – Lehmbruck – Modigliani – Paula Modersohn-Becker – Grosz – Pascin und v.a. wird auf der Grundlage hinterlassener Dokumente und Briefe in Text und Bild berichtet. Der Autor, der Heinz Witte-Lenoir noch persönlich kannte und ihn medizinisch betreute, legt nun sieben Jahre nach der ersten Auflage, rechtzeitig zu der großen Witte-Lenoir Retrospektive Jahre 2010, eine erheblich erweiterte Neuauflage vor.
In den vergangenen Jahren wurde weiter recherchiert. Bis heute konnten so fast 1.000 Arbeiten von Heinz Witte-Lenoir nachgewiesen, registriert und zum größten Teil abgebildet werden. Das künstlerische Schaffen dieses großen norddeutschen Malers vor dem Vergessen zu bewahren war Anliegen des Autors für diese Publikationen.
Autorenportrait
Ein Werkverzeichnis ist die Dokumentation eines Lebenswerks und kann selbst eine besondere Lebensleistung sein. Heinz Witte- Lenoir (1880-1961) hat ein weit verbreitetes Oeuvre hinterlassen, das Ulrich Wilke seit Jahrzehnten verfolgt, registriert und sammelt, eine Arbeit ohne Ende, wie die nun notwendig gewordene zweite Auflage des Werkverzeichnisses von Heinz Witte-Lenoir belegt. Vor sieben Jahren hatte Ulrich Wilke ein erstes Fazit seiner Bemühungen um das künstlerische Werk und um die Dokumentation des Lebens von Heinz Witte- Lenoir gezogen - eine Etappe, kein Ziel, wie sich herausstellte, denn danach empfing der Sammler weitere Hinweise auf das Leben des Künstlers, entdeckte bisher unbekannte Bilder und erfuhr von vielen Arbeiten im privaten wie musealen Besitz, die erst mit dem wachsenden Interesse der Museumsleiter aus den Schubläden der Grafikschränke geholt werden konnten. Bei der Suche nach hinterlassenen Werken wurde eine Kiste mit Druckplatten entdeckt, die zwar alle eine Registrierungsnummer des Museums hatten, aber von Inhalt her wenig oder sogar unbekannt waren.
Das neue Werkverzeichnis wächst seit Jahren durch die Findungsgabe Ulrich Wilkes, durch seinen beharrlichen Einsatz und seine Nachdrücklichkeit in der Korrespondenz nicht nur mit regionalen Museen und hiesigen Eigentümern von Bildern Witte- Lenoirs, sondern mit Personen, die Kenntnis von den Orten haben, an denen sich der Künstler vor mehr als hundert Jahren aufgehalten hatte. Fundstücke wie Briefe haben dazu beigetragen, dass das größtenteils immer noch im Dunkel liegende Leben des Künstlers einige beleuchtete Phasen erhalten hat. Einige Eigenheiten im Leben und in der künstlerischen Tätigkeit Heinz Witte- Lenoirs haben die Arbeit an den Werkverzeichnissen ziemlich erschwert: Es gibt heute eine weit gespannte,
aber in wichtigen Details doch recht karge Biografie des Künstlers. Dass diese an Einzelheiten gewonnen hat, ist der Kontaktfreudigkeit des Sammlers und Herausgebers des Werkverzeichnisses zu verdanken. Ulrich Wilke gehört heute zu den wenigen, die den 1961 verstorbenen Künstler noch gekannt hat und sich ein Bild von dem Mann machen kann, über den geschrieben wird. Heinz Witte-Lenoir hat, so scheint es heute, kaum etwas Schriftliches außer einem kurzen biographischen Überblick in einem Schreiben an Gustav Vriesen hinterlassen. Indem jede Einzelheit dieses wichtigen Schriftstückes hinterfragt wird, gewinnt das Leben und das Wesen der Künstlers leichte Konturen.
Unbestreitbar ist seine außergewöhnliche Position über die Region hinaus: Obwohl einige Künstler aus dem Oldenburgischen um die Jahrhundertwende 1899/1900 schon in Paris gewesen sind, hat der Aufenthalt von Heinz Witte- Lenoir 1899 große erhellende Bedeutung, denn kein anderer unserer Künstler ist so nahe an die Großen des Impressionismus und der Zeit danach herangekommen wie Witte- Lenoir. Er ist, wie eine Bilder zeigen, unmittelbar in die spätimpressionistische Phase der Kunstgeschichte einbezogen worden. Und Ähnliches gilt auch für seine vier Reisen zwischen 1905 und 1911 nach Indien. Es gibt kaum einen Künstler, der so unmittelar in Porträts und Landschaften die indische Atmosphäre reflektiert hat. Das Tragische im Leben von Heinz Witte- Lenoir ist der Verlust wesentlicher Bildbestände durch den Krieg 1943. Eine andere Eigenheit erschwert die Arbeit an seinem Werk und damit auch an seinem Leben zusätzlich: Das war die fast vollständig durchgehaltene Verweigerung einer Datierung seiner Arbeiten. Die aus dem Überlebenswillen gewachsene Intention, nach dem Kriege zahlreiche Motive neu zu malen, ohne sie als späte Bilder zu kennzeichnen, ist ein zusätzliches Hindernis, das Oeuvre in eine chronologische Ordnung zu bringen.
Ulrich Wilke hat sich von diesen faktischen Schwierigkeiten nicht abschrecken lassen. Er hat als Ordnungsform die thematische Gliederung des Oeuvres gewählt und damit das Werk Heinz Witte- Lenoirs überschaubar gemacht. Um diese Leistung des Herausgebers richtig einschätzen zu können, sei an einem Aufsatz in der
Wochenzeitung DIE ZEIT erinnert: Sie hat vor einigen Jahren eine Untersuchung veröffentlicht, dass in der Kunstgeschichte nur überdauert, was mit Texten versehen wurde und dokumentiert ist. Kunstwerk, Künstler und Text sind eng miteinander verbunden. Heinz Witte- Lenoir hat wahrscheinlich Jahrzehnte von seiner Kunst gelebt, aber nie notiert, an wen seine Bilder verkauft wurden. Nur einmal äußert er sich nebenbei über die Damen in Paris, die seine Bilder erwerben und ihn in die Lage versetzt haben, zu reisen. Diese Tatsache lässt den Schluss zu, dass in Frankreich, aber auch während der Reisen um das Mittelmeer, durch den Orient bis nach Indien zahllose Arbeiten verkauft wurden. Sie aufzufinden, übersteigt schon wegen zeitlicher und räumlicher Spannen jedes menschliche Maß. Ein Werkverzeichnis beruht nicht nur auf der Registrierung der aufgespürten Bilder und Papierarbeiten, obwohl diese akribische und detektivische Arbeit eine enorme Leistung des Herausgebers ist. Das Werkverzeichnis verlangt auch die geduldige Benennung, Beschriftung und korrekte Abbildung jeder einzelnen Arbeit, soweit dafür das Material aufbereitet werden kann
oder zur Verfügung steht. Erst die stringent durchgehaltene Systematik der Auflistung macht das Werkverzeichnis zu einem Arbeitshandbuch für jeden, der sich mit Heinz Witte- Lenoir beschäftigen möchte. Sicher haben die Ausstellungen nach dem Kriege Heinz Witte schon dem Vergessen entrissen; doch ist die Nachhaltigkeit einer einzelnen Ausstellung problematisch - einmal abgesehen von der Jahresausstellung im Grand Palais in Paris 1905 mit dem ersten Auftauchen der Fauves. Erst zur Erscheinungszeit des neuen Werkverzeichnisses werden drei Häuser - das Museumsdorf Cloppenburg, das Industriemuseum Lohne und die Galerie Luzie Uptmoor in Lohne - eine neue umfassende Ausstellung zeigen. Dafür hat sich Ulrich Wilke ebenfalls eingesetzt und mit großer Leidenschaft gegen Phlegma und Desinteresse angekämpft. Dafür gebührt Ulrich Wilke Dank und Bewunderung. Der Erfolg gibt ihm am meisten Recht.