Beschreibung
›Demut vor dem Text‹ statt Dekonstruktion, Treue zur sprachlichen Form statt mediales Design - die Debatte um das zeitgenössische Theater ist geprägt von einer Konfliktgeschichte, die das Theater allzu lange bestimmt hat: dem Konflikt zwischen Theater und Literatur.
Diese alten Frontstellungen verstellen den Blick auf Konstellationen, welche sich längst und weitgehend verändert haben. Denn das avancierte Theater des 20. Jahrhunderts hat Sprache in gänzlich neuen Formen und Funktionen in Szene gesetzt, so der grundlegende Befund der Autorin. Sie entfaltet die prinzipielle Differenz zwischen dem traditionellen Konzept des Literaturtheaters und dem Theater als Ort einer Erfahrung von Sprache als literarischer Praxis; und sie widmet sich der Frage, welche Darstellungspotentiale und Erfahrungen von Sprache es eigentlich sind, die in einem Theater realisiert werden, das sich nicht mehr als Vermittlungsinstanz dramatischer Werke versteht. Ausgehend von der ästhetischen Erfahrung einzelner Texte und Inszenierungen, befragt Birkenhauer die Transformation des dramatischen Dialogs bei Maeterlinck und Cechov, entwickelt den Begriff des Poetischen an einer Inszenierung Grübers, analysiert Becketts späte Stücke als Entwurf einer neuen Kunst des Zeitbildes und exponiert die Regiearbeiten Heiner Müllers als Inszenierung von Geschichte in der Archäologie von Texten – und erdet ihre Argumentation in der ästhetischen Erfahrung des Theaterzuschauers.
Stets der Spur folgend, die das Sehen und Hören im Theater mit dem Lesen und Schreiben von Texten verbindet, gelingen der Autorin brillante Analysen, die den Leser zugleich mitten ins Theater führen.