Beschreibung
Die wahren Dramen spielen sich längst in aller Öffentlichkeit ab, und das Mikrofon, die Kamera sind pausenlos dabei. Personality-Shows machen aus jeder Verschrobenheit ein Ereignis, dem das Publikum als Kulisse dient. Markus R. Webers "Augenzeugenberichte" porträtieren eine Gesellschaft, der nur noch das Besondere, Ungewöhnliche, Extreme etwas gilt. Weber versammelt sie alle: der zukünftige Missionar, der sich blenden läßt, um nur noch dem Wort zu dienen, steht neben der Referendarin, die sich eine Gedichtzeile als Tattoo für ihre linke Herzkammer wünscht, ein Miniaturkerkerbauer läßt seiner Passion ebenso freien Lauf wie ein idealer Gast oder der perfekte Autor, bei dem kein Wort übrig bleibt.
War dem klassischen Ohrenzeugen noch die Nähe zum Sprecher Voraussetzung, so kann der moderne Augenzeuge via Medien überall dabei sein. Angelehnt an Elias Canettis Begriff der "akustischen Maske", die sich dem Ohrenzeugen offenbart, wäre von der "medialen Maske" der heutigen Zeit zu sprechen. Markus R. Webers Prosa nimmt die Haltung des perfekten Augenzeugen ein: präzise, leidenschaftslos, nüchtern bis zum Zynismus.
Webers Protokolle und Monologe enthalten sich jeder Teilnahme und Wertung. Die kühle Prosa der "Extremisten" verdichtet Biographien zu Momentaufnahmen von heute.