Beschreibung
In Alltag und Wissenschaft dient Sprache dem Problemlösen, der Konfliktbewältigung, dem Benennen dessen, was "Sache" ist, der Feststellung von Wahrheit, von "objektiven Fakten". Dass aber Kognition und Kommunikation selbst ein Thema der Reflexion sein könnten, wird nur selten gesehen. Wozu auch? Man versteht doch, was einem gesagt / geschrieben wird! Diese Einstellung führt dazu, dass vielfach ein ausgesprochen naives Sprachverständnis praktiziert wird, etwa in Psychologie (in ihren verschiedenen Ausprägungen), Soziologie, Philosophie, Theologie, Naturwissenschaften ohnehin, ja sogar in Linguistik, Literaturwissenschaft. Die zentrale hermeneutische Frage wird meist nicht gestellt, ob ich in der Äusserung des Anderen tatsächlich ihn wahrnehme, oder ob ich mich in ihr nur selbst spiegele - was auf eine Form von Narzißmus führt. Es fehlt bei Nicht-Spezialisten - über gymnasiale Erfahrungen hinaus - die Schulung im grammatisch-stilistischen Detail. Mit bloßem Willensakt aber kann man der Gefahr des Narzißmus nicht entgehen: entsprechende Kompetenz ist nötig. Das Buch bietet einen - semiotisch fundierten - Theorierahmen zum Thema "Sprache / Text" an. Auf fächerübergreifende Verstehbarkeit wurde geachtet. Es wird eine Einführung in die Analyseschritte (Ausdrucks-)Syntax - Semantik - Pragmatik für Nicht-Spezialisten gegeben. An einem großen ("Isaaks Opferung") und vielen kleinen - oft amüsanten - Textbeispielen werden die theoretischen Vorgaben erläutert, wird Analysepraxis vorgeführt. An Genesis 22 ("Isaaks Opferung") dreht die sorgfältige, für andere kontrollierbare Beschreibung der sprachlichen Struktur die bisherigen Einsichten zum Text komplett: aus einem nur gewunden erklärbaren Text wird eine faszinierende poetische Psychologie. Sprachreflexion ist nicht lediglich ein aperçu, ein Luxus, den man folgenlos beiseite lassen könnte: Ihre Einbeziehung verändert das Verständnis des jeweiligen Faches. Das Buch ist eine textwissenschaftliche Propädeutik, ein sprachwissenschaftliches Grundwissen für viele Disziplinen. Der Autor ist "gelernter" Alttestamentler, lehrt "Methodik computerunterstützter Textinterpretation" an der Universität Tübingen (Fakultät für Informations- und Kognitionswissenschaften).