Beschreibung
Nahezu die gesamte zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde durch den Ost-West-Konflikt bestimmt. Der 'Kalte Krieg' endete erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des 'Ostblocks' in den Jahren zwischen 1989-1991. Er entstand aus dem Zerfall der Anti-Hitler-Koalition, in der von 1941 bis zu den Konferenzen in Jalta und Potsdam die USA, Großbritannien und die Sowjetunion gegen die Achsenmächte (Berlin-Rom-Tokio) zusammengearbeitet hatten. Bis 1949 formierten sich die politischen und militärischen Bündnissysteme neu. Die wechselseitige Bedrohung mit der Fähigkeit zur mehrfachen Vernichtung der gesamten Menschheit erzeugte ein 'Gleichgewicht des Schreckens'. Doch das Leben am Rande des atomaren Abgrunds war zugleich ein Leben im 'goldenen Zeitalter' (auch für die Staaten der Zweiten Welt). Es waren Jahre des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aufbruchs: Vollbeschäftigung, Ausbau des Sozialstaats, die Automobilisierung der Gesellschaft, Urlaub und Reisen, Rock and Roll, die 'Revolte von 68' und die Renaissance der Arbeiterbewegung in Westeuropa in den 1970er Jahren. Niemals zuvor verdichteten sich nichtrevolutionäre Umwälzungen in einem derart kurzen Stück Zeitgeschichte - das man später als die Epoche des 'Fordismus' charakterisierte. In der Dritten Welt begannen Volks- und Befreiungsbewegungen, das morsch gewordene Gerüst des Kolonialismus abzuschütteln und gegen den Imperialismus aufzustehen. Freilich war das 'nation building' immer überlagert von der weltpolitischen Machtkonstellation des Ost-West-Konflikts, bevor die neuen Staaten der "Dritten Welt" in den 1980er Jahren in der Verschuldungsfalle landeten und der Herrschaft des Internationalen Währungsfonds unterworfen wurden. Mit dem Sieg des neoliberal geprägten Kapitalismus endete das 'kurze 20. Jahrhundert' (Hobsbawm).
Autorenportrait
Frank Deppe war bis 2006 Professor für Politikwissenschaft an der Phillips-Universität Marburg. Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac und Mitherausgeber der Zeitschrift Sozialismus.