Beschreibung
Die Schriftstellerin Sophie von La Roche, Großmutter der Brentanos, zählt zu den erfolgreichsten Autorinnen des 18. Jahrhunderts. Sie gehörte zu den ersten Frauen in Deutschland, die sich als freie Autorin im Literaturbetrieb zu etablieren vermochten.
Von Sophie von La Roche (1730–1807), der Autorin zahlreicher Romane, Erzählungen, Reiseerinnerungen und anderer Prosa, blieb bislang einzig 'Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim' in Erinnerung. Das vorliegende, von der Literaturwissenschaftlerin Helga Meise zusammengestellte Lesebuch versammelt nun erstmals Texte aus
dem Œuvre von La Roches, die einen querschnittartigen Einblick in das literarische Schaffen der Autorin liefern – darunter auch auszugsweise Briefwechsel zwischen von La Roche und ihrem kurzzeitigen Verlobten und langjährigen Freund Christoph Martin Wieland.
Helga Meise ist Literaturwissenschaftlerin und lehrt an der Universität Aix-en-Provence. Sie habilitierte sich über 'Höfische Autobiografik in der Frühen Neuzeit'. Neben zahlreichen Beiträgen in Sammelbänden und Zeitschriften publizierte sie unter anderem 'Die Unschuld und die Schrift. Deutsche Frauenromane im 18. Jahrhundert' (Ulrike Helmer Verlag 1992).
Leseprobe:
Bei der Einfahrt fanden wir gar nicht, was wir in dem so wundervollen Paris zu sehen hofften. Man kommt durch ein einfaches eisernes Gitter, wo man von den Zollbedienten angehalten und gefragt wird, ob nichts gegen die Befehle des Königs in dem Wagen oder Koffern sei. Elise gab die Schlüssel zu allem und zwei französische Taler dazu, die der Mann zurückgab, indem er sagte: 'Der König bezahlt uns für die Ausrichtung seiner Befehle.' Doch stieg er auf die Kutsche, öffnete die Vache, denn so nennt man den ledernen Kasten, welcher oben über die ganze Kutsche liegt. Nun fand er viele Bücher darinnen und sagte: Es sei verboten, Bücher einzuführen. Elise antwortete: 'Es sind deutsche Bücher, worin meine Kinder ihren Unterricht fortsetzen werden.' 'Deutsche Bücher', wiederholte er mit einem Ausdruck von Geringschätzung in seinem Gesicht, als er zugleich eines öffnete, starr hineinsah und den ganzen Deckel zumachte, als ob deutsche Bücher nicht einmal die Zollstrafe wert wären. Wir lachten herzlich darüber und fuhren dem Hotel der drei Milords zu.
Die ungeheure Höhe der Häuser war alles, was uns neu dünkte, denn das übrige waren enge schmutzige Straßen, natürlich voller Menschen und Fuhrwerke, so wie die meisten Häuser unten lauter Kramläden haben (…) nur sah man viel mehr Lichter in den Häusern, und die Boutiquen, welche bei uns geschlossen werden, haben in Paris alle große Glasfenster, hinter welchen bei der starken Beleuchtung alles anlockender scheint, indem die Waren und die artigen Krämerinnen auf das vorteilhafteste gestellt und geputzt sind. Indes kann's wohl sein, daß wir das allgemeine Vorurteil ehrlicher Deutschen, als wären in Paris lauter herrlich glänzende Sachen, Häuser und Personen, mit dahin brachten und daher erstaunten, als wir in den vielen Straßen, die wir durchfahren mußten, ebenso alte rußige und arme Wohnungen erblickten, als man in irgendeiner Stadt finden kann. Große, edle und schöne Gebäude erregten unsere Bewunderung nicht sonderlich, denn die hatten wir erwartet. Ich werd Euch, liebe Kinder, getreu und ohne Zusatz alles bezeichnen, wie ich die Sachen ansehe und was sie mir für Gefühle einflößen. Elise ist wirklich jetzo um acht Uhr noch ausgefahren, eine andre Wohnung zu suchen, wo wir selbst von dem Fenster aus mehr sehen und hören können, als in diesem Hause hier, welches für jemand, der auf immer hier wohnen wollte, vortrefflich wäre, indem er, von allem Lärmen entfernt, seine Geschäfte besorgen (…) könnte. Aber wir, die nur vier Wochen zu bleiben haben, und es eigentlich in der Stadt, wo das Äußerliche das meiste ist, darauf ankommt, daß wir genug davon zu sehen bekommen, müssen die Wohnung danach aussuchen.
Auszug aus: Journal einer Reise durch Frankreich 1787