Beschreibung
Die meisten Ökonomen in Forschung und Lehre an ostdeutschen Universitäten sind nach der Wende "abgewickelt" worden. Vielleicht gibt es deshalb - anders als in anderen Disziplinen - bislang kaum Reflektionen über die Rolle der Wirtschaftswissenschaft in der DDR. Günter Krause untersucht in diesem Band, welchen Platz und Stellenwert die Wirtschaftswissenschaft in der zentralistischen Planwirtschaft und in der Gesellschaft der DDR besaß. Im Mittelpunkt der Analyse stehen Fragen nach relevanten Zäsuren und Diskursen in der Geschichte der Ökonomie. Dabei versucht der Autor nicht nur, Erkenntnisse und Blockaden, Leistungen und Defizite der DDR-Wirtschaftstheorie aufzuspüren. Ihn beschäftigt zugleich die Frage, unter welchen historischen Voraussetzungen die Wirtschaftstheorie in Ostdeutschland entstand, unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen DDR-Ökonomen ihre Konzepte entwickelten und wie sich das Spannungsverhältnis von Systemgebundenheit bzw. Monopol des Offizialmarxismus einerseits sowie Erkenntnisfähigkeit bzw. wissenschaftsimmanenten Kriterien verpflichtete Forschung andererseits gestaltet. Diese Aspekte sind gerade deshalb von besonderem Interesse, weil - die Beispiele Ungarn, Polen oder Jugoslawien belegen dies anschaulich - der jeweilige Typus von Realsozialismus erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der nationalen ökonomischen Wissenschaft, ihre wissenschaftliche Kompetenz und ihr Ansehen in der international scientific community hatte. Diese faktenreiche und gut dokumentierte Schrift stellt den ersten Versuch dar, nach Implosion von Planökonomie und stalinistischem Gesellschaftsmodell eine detailliertere Bilanz der Wirtschaftswissenschaft in der DDR vorzulegen.