Beschreibung
Gesellschaften sind in ihrem Bestand gefährdet, wenn sie die Ordnung, in der sie verfasst sind, nicht durch Sanktionen schützen. Die dafür zuständige Organisation ist das Recht. Sie definiert, was gilt, sie befindet, was geschieht, wenn dagegen verstoßen wird, sie vollstreckt die Strafe, wenn eine Verurteilung erfolgt ist. Was aber ist der Fall, wenn das Recht aus welchen Gründen auch immer nicht durchgesetzt, wenn der Normbrecher nicht in die geltende Ordnung zurück gezwungen werden kann? – In traditionellen, religiös verfassten Gesellschaften begegnet dann ein Sanktionsphänomen, das schrecklicher ist als jede Strafe eines ordentlichen Gerichts: der Fluch.
Die vorliegende Studie untersucht die Fluchpraxis in den jüdischen Gesellschaften von Alt-Israel bis in die Moderne. Sie untersucht ferner die Verfluchungsverfahren in den christlichen Kirchen, die – gegen das ausdrückliche Fluchverbot des Neuen Testaments – schon in der Frühzeit der Institutionalisierung im Rahmen der Exkommunikationsprozesse als Beugestrafe eingeführt wurden und zum Teil – in der Römisch-katholischen Kirche – bis weit ins 20. Jahrhundert hinein in Geltung waren.
Heute ist der Fluch in der europäischen Religionsgeschichte zumindest offiziell verschwunden.