Beschreibung
In sechs Erzählungen bearbeitet Paul Parin wieder seine frühen Jahre: die Zwischenkriegszeit, den Zweiten Weltkrieg in Jugoslawien und die Zeit danach. Er erzählt offen, spannend und mit unerwarteten Schnitten. Es treibt einen durch die Geschichten, zusammengesetzt aus Erinnerungen und literarischer Phantasie. Parin urteilt über seinen übermächtigen Vater unerbittlich und liebevoll-nachsichtig. Der Vaterkonflikt bewahrt ihn davor, sich jemals im Leben den Mächtigen zu beugen, eigene Zweifel zu unterdrücken und blind einer Ideologie zu folgen. Mit dem Schicksal seines slowenischen Jugendfreundes, dem Überlebenden eines Ustasa-Vernichtungslagers, ist der Erzähler in vielfältiger - auch homoerotischer - Weise verstrickt, er kann aber das über den Freund hereinbrechende Unheil nicht abwenden. Ein anderer Gefährte aus Jugendtagen, dessen Familie die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannte und flüchtete, scheitert zwar als jugoslawischer Partisanenheld, erweist sich dennoch als genialer Überlebenskünstler. 'Karakul' entspringt der Lebensweisheit eines alten Geschichtenerzählers, der zu erzählen weiß und etwas zu erzählen hat. In 'Noch ein Leben' ist Parin Erzähler und Psychoanalytiker. Er erzählt von einem Killer der italienischen Widerstandsbewegung, der in seinem Mailänder Versteck eher aus Zufall eine verhasste blonde Bestie umbringt. Der Autor lässt die LeserInnen andere Dimensionen des Lebens erfahren - beim Killer, beim Nazi-Besatzer, bei sich selbst.
Autorenportrait
Paul Parin (geb. 20. September 1916 in Graz; gest. 18. Mai 2009 in Zürich) wurde als Schweizer Staatsbürger noch in der ehemaligen Habsburgermonarchie geboren und wuchs als Sohn einer assimilierten jüdischen Familie auf dem elterlichen Gut Neukloster/Novi Kloster in der Untersteiermark auf. Ab 1934 Studium der Medizin in Graz, Zagreb und Zürich, wo er 1943 promovierte. Während des Zweiten Weltkriegs war Parin als Antifaschist aktiv und von 1944 bis 1945 als Chirurg bei der Jugoslawischen Befreiungsarmee. 1946-1952 Ausbildung in Neurologie und Psychoanalyse in Zürich. Von 1954 bis 1971 Forschungsreisen nach Westafrika. Gemeinsam mit Goldy Parin-Matthèy und Fritz Morgenthaler nutzte er die psychoanalytische Methode in der Feldforschung zur Untersuchung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft und begründete damit die Ethnopsychoanalyse. Parin war eine zentrale Figur bei der Entwicklung einer ethnozentrisch aufgeklärten gesellschafts- und kulturkritischen Psychoanalyse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Seit 1938 lebte Paul Parin mit seiner in Graz geborenen Frau Goldy Parin-Matthèy, die 1997 verstarb, in Zürich, wo er bis 1990 als Psychoanalytiker praktizierte. Außer den zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen und kritischen Essays zu Politik und Kultur veröffentlichte Paul Parin seit 1980 mehrere Erzählbände.