Beschreibung
Es ist spät, mein Lieber, elf Uhr; ich bin gerade nach Hause gekommen. Diese Nachtfahrten sind von einer Einsamkeit, die sich über mich legt wie eine schwere Decke und alles zum Verstummen bringt, bis ich mich fühle, als könne ich nie wieder den Mund aufmachen und ein Wort reden. Lesen, rauchen, am Rande des Bewußtseins über die vergangenen Tage nachdenken – Bilder tauchen auf, Gesprächsfetzen, aber es ist unmöglich, direkt daran zu denken. Dann ankommen in Linz, auf dem öden Bahnhof, durch die Baustelle hinaufwandern zur Straßenbahn, warten im Nieselregen. Stumme Menschen, jeder in seinem eigenen nächtlichen Blues versunken, nur zwei junge Polizisten diskutieren mit einem angetrunkenen Mann, nicht unfreundlich. Mit der Straßenbahn durch die ausgestorbene Stadt fahren, aussteigen, durch die leere Unterführung gehen, mit hallenden Schritten; auf der Rudolfstraße ein paar Autos, ihre Scheinwerfer lassen Schaufenster und Plakatwände aufleuchten. Den Park entlang wandern, zwischen Häuserfronten und blühenden Bäumen; die Nacht duftet nach Lindenblüten. Die Tür aufsperren; wie jedesmal nach längerer Abwesenheit verwundert und erleichtert, daß das Haus noch steht. Das Licht einschalten in der Küche; vertrauter Geruch; die Einsamkeit der leeren Wohnung schlägt mir entgegen. Stille. Und jetzt sitze ich hier an meinem Küchentisch, verwirrt, betäubt, müde – und nicht wirklich fähig, den abrupten Wechsel zu begreifen zwischen den Wohnungen, den Orten, den Leben.