Beschreibung
Für Patienten mit seltenen Erkrankungen stehen oftmals keine oder keine ausreichend wirksamen Therapien zur Verfügung. Wenn Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen (sog. Orphan Drugs) entwickelt werden, sollte grundsätzlich derselbe Anspruch an die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit der Arzneimittel erhoben werden wie allgemein üblich. Bei seltenen Erkrankungen ist es jedoch oft schwierig, in einem vertretbaren Zeitraum die notwendige Anzahl an Patienten für klinische Prüfungen zu finden. Zudem können bestimmte Gründe gegen die Durchführung in dem als Goldstandard etablierten Studiendesign als randomisierte kontrollierte Studie sprechen: In der Regel fehlt eine anerkannte Standardtherapie für die vergleichende Prüfung. Andererseits stehen ethische Bedenken dem Einsatz von Placebo oder einer Nichtbehandlung als Vergleich entgegen, insbesondere wenn es sich um eine rasch voranschreitende lebensbedrohliche Erkrankung handelt und klinische Studien der Phase I und II bereits sehr erfolgversprechende Ergebnisse für einen Wirkstoff gezeigt haben. Die Entscheidung, in welchen Fällen und wie weit von den wissenschaftlich üblichen Standards abgewichen und der besonderen Situation der Orphan Drugs Rechnung getragen werden kann bzw. soll, muss innerhalb des bestehenden Entscheidungsspielraumes schlüssig und nachvollziehbar begründet getroffen werden. Anhand der Entscheidungen der European Medicines Agency im Zeitraum von Januar 2011 bis Juni 2014 über Zulassungsanträge als Arzneimittel für seltene Erkrankungen untersucht Beate Kern in ihrer Studie, inwieweit und mit welchen Einschränkungen es möglich ist, Studien mit hohem Evidenzlevel auch für diese Gruppe von Arzneimitteln durchzuführen. In der Betrachtung des weiteren Verlaufs der Markteinführung wird geprüft, ob die Evidenzlevel der einzelnen in die Analyse einbezogenen Studien einen Einfluss auf die Zulassung, den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Frühen Nutzenbewertung nach §35a SGB V und mittels des festgestellten Ausmaßes des Zusatznutzens auf die Preisverhandlungen zur Festsetzung des Erstattungsbetrages haben. Mit dem für diese Studie entwickelten Ansatz zur Analyse der Evidenzlevel der klinischen Studien, die für die Zulassung und zur Nutzenbewertung herangezogen werden, sowie der nachfolgenden Beobachtung der Preisentwicklung nach Markteinführung ist ein wichtiger Beitrag zur Bewertung der Effektivität der frühen Nutzenbewertung geleistet worden, der auch auf andere Klassen von Arzneimitteln angewendet werden kann.
Autorenportrait
Beate Kern hat an der Freien Universität Berlin Pharmazie studiert und 1998 die Anerkennung als Fachapothekerin für Öffentliches Gesundheitswesen erhalten. Nach mehrjähriger Beschäftigung als Mitglied der Redaktion und mit Arzneimitteldatenbanken in einem medizinischen Verlag absolvierte sie nebenberuflich den Studiengang Consumer Health Care an der Charité-Universitätsmedizin Berlin. 2011 wandte sich Beate Kern der Frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln zu und ist derzeit in einem unabhängigen privatwirtschaftlichen Forschungs- und Beratungsinstitut in Berlin tätig.
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