Beschreibung
Verdrängt die konkrete Erfahrung die abstrakte Reflexion als Mittel, um die Wahrheit zu erkennen? In vielen gesellschaftlichen Kontexten werden zunehmend generelle Geltungsansprüche aufgelöst und durch 'Erzählungen' ersetzt. Geltungsansprüche werden als verdeckte Machtansprüche diskreditiert, nur das 'Narrative' scheint Authentizität zu verbürgen. Die Instrumente der digitalen Revolution verstärken die Tendenz, dem massenhaft verbreiteten Konkreten lebensweltlich und epistemisch Bedeutung zu verleihen. Was jemand konkret erfahren hat, wird für verbindlich erklärt, was massenhaft geteilt wird, ist wahr. Abstraktion vom Einzelfall hingegen - traditionell der Königsweg jeder gesellschaftlichen Reflexion mit Anspruch auf Verbindlichkeit - verliert seine regulative Wirkung. Die in diesem Band versammelten Beiträge tragen aus der Perspektive verschiedener Disziplinen - der Philosophie, der politischen Philosophie, der Literatur- und der Kulturwissenschaften - dazu bei, sich der Geltung und Wirkung der im Begriffspaar von 'abstrakt und konkret' angelegten Dialektik zu nähern. Ist eine Rehabilitierung des Prinzipiellen nötig? Kann das mediale Subjekt als das neue Konkrete eine Vergleichbarkeit jenseits der Allgegenwart der globalen Warenwelt erzeugen? Wie lässt sich ein abstrakter Begriff wie 'Fortschritt' angesichts der Vielfalt regionaler Besonderheiten reflektieren? Dient die Suche nach Eindeutigem in der Vielfalt kultureller Erfahrung nicht lediglich der Stützung autoritärer Systeme?