Beschreibung
Gemeinschaften legitimieren sich durch ihre Gründungsgeschichten. Diese stiften Sinn, bieten Orientierungen und Perspektivierungen, mit deren Hilfe die Zufälle historischer Verläufe wegerzählt und die Vielschichtigkeiten ökonomischer, sozialer und politischer Prozesse reduziert werden. Damit bedienen diese Erzählungen zum einen die aufklärerische Seite aller Mythen: das Bedürfnis nach einem festen Platz in der Welt, nach ihrer Durchdringung und Verarbeitung. Zum anderen verklären sie, weil sie vorschnelle gedankliche Verbindungen anbieten. Die an Brüchen reiche deutsche Geschichte weist gerade darum ein verstärktes Bedürfnis nach Mythen auf. So werden historische Ereignisse umgeschrieben in der Absicht, die offenen Wunden zu heilen, die nie gewesene Einheit zu beschwören oder zu stiften. Solche Gründungsmythen kompensieren einen Mangel an a¿sselbstverständlichera¿¿ - nationaler - Identität. Warum aber möchten so viele identisch sein mit den Mitbewohnern des gemeinsamen Staates? Wieso scheint es dieses Bedürfnis nach wie vor zu geben? Und wie werden die Geschichten konstruiert, die diesen Identifikationsakt stiften können? Politische Entitäten definieren sich offenbar nicht allein durch einen inszenierten Gefühlsrausch, sondern über Narrative, die sich häufig im Bild, als Symbol oder Allegorie verdichten