Beschreibung
Mit der Ausgabe der Reinhold’schen «Fundamentschrift» wird ein schwer greifbarer Text in vollständiger Fassung zugänglich gemacht. Bisherige Ergebnisse zu Reinholds Ausführungen über einen ersten Grundsatz der Philo-sophie werden präzisiert und durch neue Aspekte bereichert. Ueber das Fundament des philosophischen Wissens gehört zu den Schlüsseltexten von Reinholds Plan, Kants vernunftkritische Ergebnisse zu einem System der Elementarphilosophie fortzuentwickeln. In konzentrierter Form präsentiert Reinhold seine Ansichten zum «Fundament» dieses Systems, zum sogenannten «Satz des Bewußtseyns». In Auseinandersetzung mit Kant, relevanten vorkritischen Autoren (Locke, Leibniz, Hume, Crusius) sowie zeitgenössischen Kritikern (vor allem August Wilhelm Rehberg und Johann Christoph Schwab) wird dafür argumentiert, dass es sich hiermit um einen gewissen, einleuchtend artikulierten und wahrhaft ersten Grundsatz der Philosophie handelt. Verteidigt und neu durchdacht wird zudem der Versuch, das Fundament im Sinne eines Grundsatzes zu verstehen, mit dessen Hilfe sich die Gewissheit und systematische Ordnung von Folgesätzen deutlich machen lässt. Ein besonderes Augenmerk richtet Reinhold auf das Fundament der Vernunftkritik, das er als «Möglichkeit der Erfahrung» kennzeichnet und auffällig mit Kants oberstem Grundsatz aller synthetischen Urteile in Verbindung bringt. Mit der kritischen Feststellung, dieses Fundament sei «weder allgemein (umfassend) noch auch fest genug», werden die Weichen für ein kommendes nachkantisches Paradigma gestellt. Reinhold ist der Auffassung, dass mit dem Satz des Bewusstseins jenes Fundament entdeckt ist, das sich für die Errichtung eines die Resultate Kants übersteigenden Gesamtsystems der theoretischen und praktischen Vernunft eignet. Darüber hinaus soll hiermit jener sichere epistemische Anfangspunkt aufgezeigt sein, aus dem sich der Beweis synthetischer Urteile a priori, der bei Kant, wie Reinhold diagnostiziert, den Eindruck einer fatalen Zirkularität erweckt, überzeugend führen lässt. Mit ihrer profilierten Parteinahme für eine wissenschaftliche «Philosophie überhaupt» beeinflusste die Schrift entscheidend das Denken Fichtes und des frühen Schelling. Dem Neukantianer Leonard Nelson zufolge darf man behaupten, dass sie «die wichtigste von allen Erscheinungen ist, die auf die Geschichte der erkenntnistheoretisch orientierten Philosophie nach Kant eingewirkt haben». Mit der vorliegenden Neuedition wird endlich wiederum der gesamte, Beilagen von Johann Benjamin Erhard und Friedrich Karl Forberg enthaltende Originaltext zugänglich. In einem Anhang werden die in den Beilagen kritisierten Rezensionen von Rehberg und Schwab wiedergegeben. Der Band enthält eine ausführliche Einleitung und einen Kommentar.
Autorenportrait
Der Herausgeber: Martin Bondeli studierte Philosophie, Geschichte und deutsche Literatur in Bern, Bochum und München. Er promovierte und habilitierte an der Universität Bern mit Arbeiten zu Hegel und Reinhold. Seit 1994 ist er als Privatdozent an den Universitäten Bern, Fribourg, Basel und Luzern tätig.