Beschreibung
"Wissenschaftsfreiheit"‚ "akademische Freiheit" oder "Freiheit von Forschung und Lehre" scheinen Besonderheiten der deutschen Verfassungstradition zu sein. Wenn auch Spuren bis in die mittelalterlichen Anfänge der Universitäten zurückreichen und die Aufklärung die libertas philosophandi forderte, so sind sie doch eng mit der "klassischen Universität" des 19. Jahrhunderts verbunden. In Denkschriften, Parteiprogrammen und Staatsrechtskommentaren wird Wissenschaftsfreiheit seitdem immer wieder thematisiert, diskutiert und als prinzipielles Postulat erhoben und zählt noch heute zu den "Grundgesetzen" des deutschen und des von ihm beeinflussten internationalen Universitätswesens. Wissenschaftsfreiheit ist dennoch nie unangefochten und wird allzu leicht instrumentalisiert, längst nicht nur in totalitären Systemen. Dieses Buch nähert sich dem Thema in einer genetischen und einer komparatistischen Perspektive: Es verfolgt zum einen die Genese der Wissenschaftsfreiheit in der deutschen Hochschulgeschichte mit Beiträgen zu jedem "deutschen Jahrhundert" seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart mit Schwerpunkten im 19. und 20. Jahrhundert (Kaiserreich, Weimar, Drittes Reich, DDR und Bundesrepublik) und prüft zum anderen das Postulat der Wissenschaftsfreiheit in einigen anderen Ländern (Niederlande, Österreich, Schweiz, Frankreich, USA) sowie in der röm.-kath. Rechtssprechung (Fall Döllinger) entweder in Anlehnung an das ‹deutsche Modell› oder in Ausführung spezifischer und originärer Formen. Aus dem Inhalt: Teil I Rainer C. Schwinges, Libertas scholastica im Mittelalter Notker Hammerstein, Konfessionseid und Lehrfreiheit Wolfgang E. J. Weber, Funktionale Freiheit und Novitätsfurcht. Zur Frage der Wissenschaftsfreiheit im 17. Jahrhundert Rainer Albert Müller, Von der „Libertas philosophandi“ zur „Lehrfreiheit“. Zur Wissenschaftsfreiheit im Zeitalter der Aufklärung Rüdiger vom Bruch, Wissenschaftsfreiheit in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert Klaus Schreiner, „Wissenschaft unter politischer Führung“. Von der Wissenschaftsfreiheit der Weimarer Republik zur Wissenschaftsfreiheit im Dritten Reich Ralph Jessen, Wissenschaftsfreiheit und kommunistische Diktatur in der DDR Birte Janzarik, Die Entwicklung der Wissenschaftsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland Teil II Hilde de Ridder-Symoens, Intellecutal Freedom under Strain in the Low Countries during the long Sixteenth Century Victor Conzemius, Wissenschaftsfreiheit und katholische Theologie. Der Fall Ignaz von Döllinger Walter Höflechner, Bemerkungen zum Thema Wissenschaftsfreiheit in Österreich Verena Schwander, Von der akademischen Lehrfreiheit zum Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit. Entwicklung der Wissenschaftsfreiheit in der Schweiz aus verfassungsrechtlicher Sicht Hansgerd Schulte, Wissenschaftsfreiheit in Frankreich Jurgen Herbst, Akademische Freiheit in den USA. Privileg der Professoren oder Bürgerrecht?
Autorenportrait
Die Herausgeber: Rainer A. Müller, geboren 1944, ist Professor für Geschichte der frühen Neuzeit an der Katholischen Universität Eichstätt. Prof. Dr. phil. Rainer Christoph Schwinges, geb. 1943 in Paderborn, studierte Geschichte, Soziologie, Philosophie und Psychologie an den Universitäten Köln, Münster und Gießen. Nach seiner Habilitation hatte er Dozenturen an den Universitäten Osnabrück, Bielefeld und Gießen. Von 1989 bis 2008 war er Professor für Allgemeine Geschichte des Mittelalters an der Universität Bern. Seit 2008 ist er emeritiert. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sozial- und Verfassungsgeschichte, Ideen- und Kulturgeschichte des hohen und späten Mittelalters, Kreuzzugsgeschichte, Stadt- und Migrationsgeschichte, Historische Geographie und Universitäts-, Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit.