Beschreibung
Pierre Bayles »Dictionnaire historique et critique« (Erstauf-lage 1697) ist als die »Bibel der Aufklärung« bezeichnet worden. Die Attraktion, die es nicht nur auf zeitgenössische Leser ausübte, beruht in erster Linie auf dem Anspruch nüchterner, vorurteilsfreier Prüfung, der das ganze Werk durchzieht. In seinem Wörterbuch, das 1740 bereits in 8. Auflage in vier voluminösen Foliobänden vorlag, unterzieht Bayle Philosophie und Theologie, aber auch alle anderen Disziplinen hinsichtlich ihrer Methoden, Gegenstände und Ergebnisse einer kritischen Revision. Dieser aus dem Wörterbuch sprechende rationale Geist traf das Lebensgefühl des 18. Jahrhunderts, das sich nach Kants Worten nur dem verpflichtet fühlte, was vor dem »Richterstuhl der Vernunft« legitimiert worden war, und entfaltete eine immense Wirkung. Aus den mehr als 2000 Artikeln des Wörterbuchs sind die philosophisch bedeutendsten (gut 60 an der Zahl) ausgewählt und übersetzt worden. Die Bände enthalten u.a. die Artikel über so zentrale Gestalten wie Anaxagoras, Arkesilaos, Epikur, Hobbes, Karneades, Kritias, Leukipp, Lukrez, Pomponazzi, Pyrrho, Rorarius, Spinoza, Xenophanes und Zenon von Elea, aber auch über Eva, Luther, Mohammed, Ovid und Sara.
Autorenportrait
Pierre Bayle wird 1647 in Südfrankreich geboren. Seine Ausbildung erhält der Sohn eines hugenottischen Pfarrers zunächst an der protestantischen Akademie von Puylaurens, wechselt dann aber zum Jesuiten-Kolleg von Toulouse und konvertiert zum Katholizismus. Nach kurzer Zeit bereut er seine Konversion, flüchtet als Renegat ins Ausland und erhält schließlich 1681 in Rotterdam eine Professur für Philosophie und Geschichte. Nach der Aufhebung des Toleranz-Edikts 1685 reagiert Bayle mit kritischen Schriften, in denen er für Glaubensfreiheit und die Trennung von Staat und Kirche eintritt. Auf Grund seines rationalen Kritizismus' und der freizügigen Haltung auch Atheisten gegenüber, verliert Bayle 1693 seine Professur und widmet sich fortan ganz seinem großen philosophischen Projekt des Historischen und kritischen Wörterbuchs, das 1695 erscheint. In diesem völlig neuartigen Nachschlagewerk versucht er einerseits das Wissen der Zeit kritisch zusammenzufassen und trägt andererseits in Anmerkungen seine eigenen Überlegungen vor. In Fußnoten werden ausführliche Quellen zitiert, die oft völlig unterschiedliche Standpunkte formulieren. Diese Taktik soll den Leser zum kritischen Hinterfragen der Tatbestände führen. Das Wörterbuch erlebt bis 1760 allein 10 Auflagen und wird zur "Rüstkammer der Aufklärung" (Wilhelm Dilthey). Diesen Ruhm erlebt Bayle jedoch nicht mehr - bis zu seinem Tod 1706 ist er hauptsächlich mit Verteidigungsschriften gegen die Angriffe dogmatischer Theologen auf sein Wörterbuch befaßt.