Beschreibung
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden innovative Fabrikgebäude, die in der zeitgenössischen Fachpresse intensiv diskutiert wurden - als Inkunabeln der Moderne. Im Zusammenspiel von Architektur und Ingenieurwesen bei der Entwicklung gläserner Fassaden wurde der Fabrikbau zum Wegbereiter der modernen Architektur. In der Diskussion um die architektonische Moderne wird heute oft die zentrale Rolle des Fabrikbaus übersehen. Nach der Gründung des Deutschen Werkbundes 1907 sahen Architekten jedoch gerade in den Bauaufgaben der Industrie die Gelegenheit, eine neue Architektursprache jenseits traditioneller Strömungen zu entwickeln. Damit wurde die Frage nach dem Verhältnis von Architekt und Ingenieur zu einem Streitpunkt in den einschlägigen Debatten. Adolf Behne stellte 1913 fest, der Industriebau sei 'eine heute fast populäre Angelegenheit', der das Publikum mehr Aufmerksamkeit schenke als dem Kirchenbau oder der Theaterarchitektur. Nach dem Ersten Weltkrieg ermöglichten neue Techniken und Materialien kühne Stahlkonstruktionen und die komplette Auflösung der Fassade. Als Höhepunkt dieser Entwicklung entstehen ab Ende der 1920er Jahre Tageslichtfabriken mit vorgehängter Glasfassade. Entwickelt von einer neuen Generation von Industriearchitekten, werden sie zu Wegbereitern der modernen Architektur. Architekturzeitschriften steuerten die Rezeption der Bauten und trugen zur Popularisierung des Industriebaus bei.
Autorenportrait
Rudolf Fischer studierte Ingenieurwesen sowie Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte. Forschungsschwerpunkte sind Industriebau und Moderne. Am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München ist er seit 2011 ausführender Projektleiter und Koordinator des DFG-Projekts 'Kommentiertes Werkverzeichnis der Möbel und Möbelentwürfe Ludwig Mies van der Rohes'.