Beschreibung
Pferde, Wölfe, Wale, Adler: Im historischen Teil der altnordischen Sagaliteratur wimmelt es geradezu von zahmen und wilden Tieren des Landes, der Lüfte und des Meeres. Die Interaktion des Menschen mit der ihn umgebenden Tierwelt - die sich in dieser Form in keiner anderen Gattung mittelalterlicher Literatur findet - ist Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Monographie. Zentrales Anliegen der literarisch-anthropologisch ausgerichteten Studie ist es darzulegen, auf welche Weise Tiere in den Sagaerzählungen zur Konstituierung von Bedeutung herangezogen werden und welche Rückschlüsse daraus auf die den Texten zugrunde liegenden Gesellschaftsbilder und das Selbstverständnis der spätmittelalterlichen isländischen Verfassergesellschaft gezogen werden können. In aufeinander aufbauenden narratologischen und historisch-anthropologischen Analysen wird gezeigt, dass jede Tierart in spezifischer Weise auf die Menschheit bezogen wird und dass die jeweilige Relation in den verschiedenen Untergattungen der Sagaliteratur unterschiedliche Wirkung entfaltet. In narratologischen Studien einzelner Vertreter der Isländersagas, Königssagas, Bischofssagas und der Sturlungasaga wird zunächst aufgezeigt, welche zentrale Funktion Tierepisoden in der Konstruktion der Erzählungen zukommt. Daran anknüpfend werden im zweiten Teil der Untersuchungen verschiedene anthropologische Kerndiskurse identifiziert, die durch die Schilderung von Mensch-Tier-Relationen thematisiert und illustriert werden. Der dritte Teil beleuchtet schließlich, welche spezifischen Bedeutungen den einzelnen Tierarten und Tierklassen im kulturellen Kontext der Sagaliteratur zugeordnet werden.