Beschreibung
Bereits das Kunstwollen", wenn wir beim schaffenden Künstler beginnen, ist höchst verschieden: während für viele Künste, wie Tanz, Musik, Lyrik das Ausdrucksbedürfnis im Vordergrund steht, überwiegt in andern Künsten wie in der Epik, der Architektur, der Malerei eine davon völlig verschiedene seelische Einstellung: das Gestaltungsbedürfnis (von dem die Nachahmung" nur eine Sonderform ist). Gewiß sind in allen Künsten beide Faktoren nebeneinander am Werke, aber schon das Überwiegen des einen oder des anderen bedeutet tiefgehende Verschiedenheiten. Dazu kommt die Verquickung dieser rein ästhetischen Tendenzen mit außer ästhetischen, vor allem zweckhaften, was auch in den verschiedenen Künsten sehr ungleich hervortritt. [.] Letzthin liegt ein tiefgreifender Unterschied zwischen den Künsten noch in ihrem Inhalt", d.h. dem Umstand, ob sie einen außerkünstlerischen Inhalt irgendwie wiederzugeben suchen, oder ob sie abstrakt verfahren. [.] Es kann nicht Aufgabe dieser Skizze einer vergleichenden Psychologie der Künste sein, derartigen Dingen im einzelnen nachzugehen; immerhin dürften schon unsere prinzipiellen Ergebnisse genügen, um die meisten unserer Ästhetiker, die, von einer oder zwei Künsten aus keck verallgemeinernd, normative Gesetze" verkünden, ein wenig vorsichtiger zu stimmen, wenn sie die Mannigfaltigkeit des Materials eingehender berücksichtigen. [Auszug aus dem Buch]
Autorenportrait
Richard Müller-Freienfels wurde 1882 geboren und starb 1949. Er war ein deutscher Psychologe und Professor für Psychologische Pädagogik. Eines seiner wichtigsten Werke ist eine dreiteilige Psychologie der Kunst.