Beschreibung
Die Ungleichheit zwischen armen und reichen Ländern gehört seit dem Zweiten Weltkrieg zu den wichtigsten Themen der internationalen Politik. Dieses Buch zeigt historisch auf, welche Formen des Wissens dabei global bedeutsam wurden. Im Zentrum steht die Geschichte des zahlenmäßigen Vergleichs von Volkswirtschaften nach ihrem Bruttosozialprodukt. Diese Sichtweise war bis in die 1930er-Jahre unbekannt. Sie stammt aus der quantifizierenden Makroökonomie, doch die Vertreter dieser Disziplin standen den gesamtwirtschaftlichen Abstraktionen lange äußerst skeptisch gegenüber. Erst als nach 1945 aus dem Tagesgeschäft der internationalen Politik und der Diplomatie heraus eine neue Nachfrage nach globalen Statistiken entstand, trat das Bruttosozialprodukt seinen Siegeszug an. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung stellte eine vermeintlich neutrale Darstellung von weltwirtschaftlicher Ungleichheit bereit, die es den politischen Akteuren erlaubte, Komplexitäten zu reduzieren. Daniel Speich Chassé untersucht diese Verringerung von Komplexität. Am Beispiel des wachsenden Einflusses von Wissenschaftlern auf die internationale Politik zeigt er auf, welches Potenzial die Wissensgeschichte in der Verbindung mit der Globalgeschichte hat. Eine neue Sichtweise des Dekolonisationsprozesses und der Entstehung von internationalen Organisationen wird entworfen. Und weiterführende Perspektiven zur Erforschung der Erfolgsgeschichte der Wirtschaftswissenschaften werden skizziert.