Beschreibung
Im 19. Jahrhundert gehörte Dante (1265-1321) zu den zentralen Symbolfiguren der italienischen Einigungsbewegung. Mit dieser Studie liegt erstmals eine umfassende Untersuchung des Dantekultes im Zeitraum von der Französischen Revolution bis zum Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg vor. Gestützt auf Quellen wie Gedenkschriften, Dantebiographien, Briefe, Akten der Zensur- und Schulbehörden, Schulbücher, Denkmäler und Abbildungen fragt sie nach den Trägergruppen des Dantekultes, seiner Verbreitung und Entwicklung, nach den 'Konjunkturen' sowie regionalen Besonderheiten der Erinnerung. Die Studie zeigt, daß sich der nationale Dantekult vor der nationalen Einigung in allen italienischen Einzelstaaten rasch ausbreiten und von den staatlichen Zensurbehörden kaum wirksam bekämpft werden konnte, nach 1861 aber zunehmend auf Hindernisse stieß. Neben neueren Symbolgestalten des italienischen Nationalstaates wie Giuseppe Garibaldi und König Viktor Emanuel II. konnte der Dichter aus dem Mittelalter, dessen Sprache und Denken der einfachen Bevölkerung kaum zu vermitteln war, nicht bestehen. Die Untersuchung zeigt allerdings auch, daß längst überkommene Vorstellungen von Dante als Symbolfigur weit bis ins 20. Jahrhundert fortwirkten, wozu der Unterricht an den staatlichen Schulen und die Vereinnahmung des Dichters durch die Irredentabewegung wesentlich beitrugen.