Beschreibung
Eine RISS-Nummer mit dem Thema Be-hand-lung zu machen, liegt nicht auf der Hand, erst recht nicht, wenn der Fokus auf die psychoanalytische Kur gelegt wird. Dass die Hand zum Gruss und zum Abschied dargeboten wird, dass dort, wo Analytiker an der Barzahlung festhalten, die Hand des Analysanten dem Portemonnaie Geld entnimmt, all das scheint im Vergleich zum
Sprechen und Hören, zur Entdeckung des Unbewussten, nebensächlich zu sein, ein Eindruck, der dadurch verstärkt wird, dass nicht u?berall mit der Hand gegru?sst wird – in asiatischen Ländern gilt das als unschicklich –, und die Psychoanalyse ist dennoch möglich. Wie aber, wenn u?ber Zusammenhänge von Hand und Sprache nachgedacht wird? Dann zeigt sich, dass dieses menschliche Organ, das sich grundlegend von Tatzen, Pfoten und Flossen unterscheidet, einerseits in die Symbolische Ordnung eingebunden ist, was sich am deutlichsten in der Gabe manifestiert, andererseits in jene einfließt, so dass das Wort ergriffen und gar entzogen werden kann; die Hand ist deshalb anwesend, auch wenn sie nicht zum Gruß und zur Verabschiedung gegeben wird. Das weist darauf hin, dass unser Thema doch Hand und Fuß hat. Dies umso mehr, als die Hand auch auf andere Weise in der psychoanalytischen Klinik im Spiel ist: Sowohl Kinderanalysen wie auch Psychotherapien von Psychosen vertrauen auf das, was durch die Tätigkeit der Hände, wenn sie kneten, zeichnen, spielen, herauskommt. Dabei eröffnen sich oft u?berraschende Zugänge zum Unbewussten. Nicht vergessen werden soll dabei die Praktik Freuds, der zu Beginn seiner psychoanalytischen Tätigkeit mit seinen Händen Druck auf die Stirne der Patienten ausu?bte. Die Reichweite der Hand fu?hrt schließlich bis in die Theorie, in der die Hand unversehens in Begriffen wie Subjekt, Objekt, sogar Verwerfung auftaucht; in der Tat: Werfen ohne Hand ist nicht vorstellbar. Genug der Hinweise und Fingerzeige! In der vorliegenden Ausgabe versuchen neun Autoren aus unterschiedlichen Perspektiven die Tragweite der Hand – auch der Hände – aufzuweisen. Das Spektrum reicht von anthropologischen, epistemologischen, literarischen bis zu klinischen Beiträgen. Drei Rezensionen beschließen das Heft. Der Dank der RISS-Redaktion, des VISSIVO-Verlags und des Herausgebers geht zunächst an den Lektor Peter Märki, der in Zusammenarbeit mit den Autoren fu?r eine optimale Lesbarkeit der Beiträge gesorgt hat; an Martin Pawelkiwitz, der erneut die formalen Kriterien dieser Ausgabe u?berpru?ft hat; an die beiden französischsprachigen Autoren Catherine Morin und Bruno Clavier, die die Übersetzung ihres Beitrags autorisiert und bei der Lösung von Problemen mitgeholfen haben. Die nächste Ausgabe (Nr. 87), die im Fru?hjahr 2018 erscheinen wird, beschäftigt sich mit dem Lu?gen – einem aktuellen Thema, das gegenwärtig kaum u?bergangen werden kann.
Peter Widmer, Herausgeber
Mit Artikeln von: Bruno Clavier, Artur R. Boelderl, Bettina Kupfer, Karl-Josef Pazzini, Dagmar Ambass, Georg Augusta, Catherine Morin, Ulrike Bondzio-Müller, Peter Widmer, Mai Wegener, Hans-Dieter Gondek.
Inhalt
Editorial
Bruno Clavier: Autismus und transgenerationelle Psychoanalyse
Der Fall eines autistischen Kindes, Aline
Artur R. Boelderl: Hand_reichungen und Fuß_noten. Zwischen Mensch und Tier
Bettina Kupfer: «Knuper, knuper kneischen, wer knupert an meinem Häuschen?»
oder: «Gib der Dame brav die Hand!»
Karl-Josef Pazzini: Eigensinn & Soulèvements. Hände hoch
Dagmar Ambass: Der Babys sprechende Hände und Körper: ein Sprechen im Realen?
Georg Augusta: Finger-Phantasmen
Catherine Morin: Die Hand: vom Objekt zum Symbol
Ulrike Bondzio-Müller: Die psychoanalytische Kur – eine Behandlung?
Peter Widmer: Die Hand des Subjekts
Buchbesprechungen
Mai Wegener: Johann Georg Reicheneder: Freuds Traum von einer neuen Wissenschaft.
Chemie und Bakteriologie im Traum von Irmas Injektion
Hans-Dieter Gondek: Peter Widmer: Die traumatische Verfassung des Subjekts
Abstracts und Schlüsselwörter (d/f/e), Autoren