Beschreibung
Rund 2200 junge Schweizer Männer traten nach dem Zweiten Weltkrieg trotz Verbot in die Fremdenlegion ein, um für die damalige Kolonialmacht Frankreich fern von Europa in den Krieg zu ziehen. Was hat sie dazu bewogen? Und wie sah ihr Legionsalltag und das Leben danach aus? Wer in die Welt der Legionäre eintaucht, stösst unweigerlich auf Armut und Unrecht in der Schweizer Nachkriegsgesellschaft: auf Männer aus grösstenteils niedrigen sozialen Schichten, aus zerrütteten Familien, auf Männer mit geringer Ausbildung, mit viel Erfahrung in Anstalten oder als Verdingkind, mit einem aus 'Armutsdelikten' bestehenden Vorstrafenregister, oder auch mit Beziehungsproblemen. All dies erschwerte ein Vorwärtskommen in der Schweiz und bewog diese Männer zur Flucht in die Legion, wie dieses Buch eindrücklich belegt. Frankreich mit seiner Fremdenlegion vermochte die Ausweglosigkeit dieser männlichen Rand- und Unterschichten skrupellos für die eigenen Ziele, die Kolonialpolitik in Indochina und Nordafrika, zu instrumentalisieren. Im rigiden militärischen Verband zu folgsamen Legionären geformt, sehen nicht wenige diesen Einsatz in Fremden Diensten als neue Lebenschance. Ihre Bewältigung des Legionsalltags in all seinen Facetten, ihre Sicht auf das Fremde, die 'Eingeborenen', sowie die Kriegserfahrungen und deren Bewältigung, auch die Mitwisserschaft und Verdrängung von Folter und Kriegsverbrechen, werden eingehend thematisiert. Ebenso die Strafverfahren der schweizerischen Militärjustiz sowie der erfolgte beziehungsweise misslungene Aufstieg in der Legion und die erfolgreiche oder auch missglückte Integration in der Schweiz. Aus einem reichen Quellenfundus schöpfend - insbesondere Militär- und Konsulatsakten, Memoirenliteratur und mündlichen Quellen -, legt der Autor eine Kollektivbiografie vor, die ergänzt durch zahlreiche Fallbeispiele ein anschauliches und differenziertes Bild der untersuchten Schweizer Fremdenlegionäre vermittelt.
Autorenportrait
Peter Huber, Dr. phil., geb. 1954, ist Privatdozent am Departement Geschichte der Universität Basel. Er forscht, unterrichtet und publiziert unter anderem zur Sowjetunion, zum Spanischen Bürgerkrieg und zur Kriegsfreiwilligkeit im Allgemeinen.
Inhalt
1 Fluchtpunkt Fremdenlegion
1.1 Schweizer in der Fremdenlegion
1.2 Annäherungen an das Thema
2 Das soziale Profil des Legionsanwärters
2.1 Jung, ledig und vorbestraft
- Alter
- Zivilstand
- Vorstrafen
2.2 Soziale und geografische Herkunft
- Beruf des Vaters
- Vom Land in die Stadt
2.3 Ausbildung, erlernter Beruf und Abstieg
- Arbeiten ohne Berufslehre
- Mit abgebrochener Berufslehre auf den Arbeitsmarkt
- Mitten in der Berufslehre
- Abgeschlossene Berufslehre
- Handels- und Mittelschüler: eine winzige Minderheit
- Studenten: die grosse Ausnahme
3 Neun Gründe für den Aufbruch in die Legion
3.1 Dem Anstaltsleben entfliehen
3.2 Laufendes Strafverfahren
3.3 Beziehungsprobleme
3.4 Die Suche nach Kameradschaft
3.5 Die Suche nach Abenteuer und Exotik
3.6 Auf dem Arbeitsmarkt marginalisiert
3.7 Streit und Gewalt im Elternhaus
3.8 Flucht vor Schulden
3.9 Freude am Militär
4 Auf dem Weg in die Legion gescheitert
4.1 Falschalarme im «Schweizerischen Polizeianzeiger»
4.2 Abgefangen oder vom Mut verlassen
4.3 Als nichtkriegstüchtig befunden oder dank den Eltern freigekommen
4.4 «Überläufer» in Marseille vor dem ersten Schuss
5 Legionsalltag, Kriegserlebnis und Tod
5.1 Ausbildung, Zucht und Strafe
5.2 Die Sicht auf die «Eingeborenen»: «Araber» und «Chinesen»
5.3 Frauen – Bordelle – Heirat auf Zeit
5.4 Der Traum von Aufstieg und Anerkennung
- Frühaussteiger
- Eine Vertragsperiode in der Legion
- Bis zu 15 Jahre in der Legion
- Beförderungen beschränkt möglich
5.5 Zeugen, Mitwisser und Täter von Folter und Kriegsverbrechen
5.6 Verrat, Fahnenflüchtige und Fluchthelfer
- Desertionen
- Fluchthelfer und Fluchtrouten
- «Brigade freier Legionäre» und deren Auflösung
5.7 In den Gefangenenlagern des Viet Minh
5.8 Kanonenfutter für Frankreich: gefallen und verschollen
6 Der Weg nach Hause: eine Spurensuche
6.1 Neuanfang in der Schweiz
6.2 Der Traum vom Lebensabend in Indochina
6.3 Als Europäer unter Fremden in Algerien
6.4 Frankreich: neue Heimat oder provisorischer Auffanghafen?
Fazit
Fallbeispiele
Anhang
Abkürzungen
Bibliografie
Verzeichnis der Dokumente
Abbildungsnachweis
Namenindex