Beschreibung
Die Menschenrechte sind in der politischen Debatte der Schweiz allgegenwärtig. Besonders bei Volksinitiativen heisst es häufig, diese verstiessen gegen 'die Menschenrechte'. Doch ist im Grunde unklar, was damit gemeint ist. Von welcher Idee der Menschenrechte sollen wir ausgehen? Sind die Menschenrechte unverhandelbar, stehen sie ein für allemal fest, oder unterliegen sie wie alle anderen Rechte der demokratischen Aushandlung und Entscheidung? Lorenz Engi zeigt auf, dass die Menschenrechte mit solchen - rein naturrechtlichen beziehungsweise rein positivistischen - Ansätzen nicht angemessen zu verstehen sind. Sie enthalten Elemente von beidem: In einem Kernbestand sind sie unverfügbar und der politischen Entscheidung vorgeordnet, da sie eng mit dem Menschlichen selbst verwoben sind. Zugleich sind sie aber auf die konkrete Festlegung innerhalb einer politischen Gemeinschaft angewiesen. Aus 'dem Menschenrecht' ergibt sich im Einzelnen noch nicht, wie es konkret zu gelten hat. Aus diesen Analysen zieht das Buch Schlussfolgerungen für die politische Debatte. Die Menschenrechte sind nicht als etwas Selbstverständliches anzusehen, sondern bedürfen immer wieder der politischen Bestimmung. Sie sind nicht nur aufs Völkerrecht zu beziehen, sondern genauso ein Thema der innenpolitischen und verfassungsrechtlichen Diskussion. Aus ihnen lässt sich nicht zu jeder Frage eine einzig richtige Lösung 'ableiten'. Sie lassen Raum für politische Debatten und sind auf diese angewiesen, wenn sie auf Dauer im demokratischen Gemeinwesen verankert sein sollen.
Inhalt
Stauffachers These
1. Teil: Menschenrechte
1 Zwischen Moral und Politik
Warum die Menschenrechte gegeben und gemacht sind
1.1 Im Gefängnis?
1.2 Naturrecht und Positivismus
1.3 Moralischer Kern
1.4 Politische Konkretisierung
1.5 Gegeben und gemacht
2 Drei Ebenen der Umsetzung
Warum die Menschenrechte universal und partikular gelten
2.1 Kreuze in Italien und in der Schweiz
2.2 Internationaler Bereich
2.3 Regionaler Bereich
2.4 Nationaler Bereich
2.5 Mehrebenensystem
2.6 Universal und partikular
3 Intuition und Vernunft
Warum grundlegende Normen biologisch angelegt und bewusst gesetzt sind
3.1 Wege der Erkenntnis
3.2 Hirnforschung
3.3 Moralischer Sinn
3.4 Relativierung der neurowissenschaftlichen Erkenntnisse
3.5 Zwischenbetrachtung nach dem ersten Teil
2. Teil: Demokratie
4 Der Wert des Individuums
Warum die Demokratie keine Volksherrschaft ist
4.1 Ein verworrener Begriff
4.2 Meinungswettbewerb und Einbeziehung aller
4.3 Respekt vor dem einzelnen Menschen
4.4 Konstruierte Völker
4.5 Integration durch Politik
5 Die Idee der Moderne
Warum Demokratie und Menschenrechte in Übereinstimmung und im Konflikt zueinander stehen
5.1 Hase und Igel
5.2 Der Grund der Politik
5.3 Der Grund des Rechts
5.4 Gemeinsamer Kern
5.5 Und die Minarette?
6 Rousseaus Irrtum
Warum Recht und Politik einander brauchen
6.1 Kägi versus Bäumlin
6.2 Wie Rousseau von links nach rechts wanderte
6.3 Schwächen von Rousseaus Modell
6.4 Die Notwendigkeit beider Elemente
6.5 Zwischenbetrachtung nach dem zweiten Teil
3. Teil: Debatte
7 Erste Falle: Vermeintliche Klarheit der Menschenrechte
Warum die Menschenrechte erklärungsbedürftig sind
7.1 Die Idee des monolithischen Blocks
7.2 Historische Neuheit
7.3 Philosophische Problematik
7.4 Faktische Fragilität
7.5 Möglichkeit der Einschränkung
7.6 Keine schematische Exaktheit
7.7 Konsequenzen für den Argumentationsstil
8 Zweite Falle: Alleiniger Bezug aufs Völkerrecht
Warum die Menschenrechte auch eine interne Aufgabe sind
8.1 Vom Naturrecht zum Völkerrecht
8.2 Völkerrechtliche Geltung
8.3 Innerstaatlicher Schutz
8.4 Verändertes Meinungsklima
8.5 Mehrstufiger Schutz
9 Dritte Falle: Die Idee der totalen Ableitung
Warum sich aus den Menschenrechten nicht alle Antworten ergeben
9.1 Ohne Politik?
9.2 Die Idee des Systems
9.3 Grenzen der Ableitung
9.4 Bedingungen des rechtlichen Entscheidens
9.5 Betrachtung nach dem dritten Teil
Stauffacher heute