Beschreibung
Auf dem Massenmodemarkt des 20. Jahrhunderts lässt sich eine erfolgreiche Verbreitung maschinell gestrickter Kleidung feststellen. So etwa wurden T-Shirts und Sweatshirts in der Nachkriegszeit als jugendliche Antimode von der Unter- zur Oberbekleidung transformiert und etablierten sich als differenziert gestaltete und allseits akzeptierte Allroundkleidung. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formierte sich die Wirkerei- und Strickereiindustrie als flexibler neuer Akteur auf dem entstehenden Fertigkleidermarkt. In der Idealform des fabrikmässig organisierten Betriebs verbanden Trikotfabriken und mechanische Strickereien Stoffherstellung und Kleiderfertigung in einem Unternehmen. Unterkleider und Überzieher aus anschmiegsamem Maschenstoff waren anfänglich vor allem als Sportanzüge und Reformkleidung gefragt. Anhand von symptomatischen Kleidtypen und Produktionsregimes zeichnet die Autorin die Karriere der Maschenwarenkleidung nach, vom exportorientierten Fabrikantenhandel mit swiss ribbed underwear über die modeorientierte Produktion damenhafter Trikot-Eleganz bis hin zur funktionell angereicherten Bodywear des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Die Studie bringt technik- und unternehmensgeschichtliche, mode- und körperhistorische Kenntnisse zusammen und untersucht die erfolgreiche Verbreitung elastischer Trikotkleidung als multifaktoriellen, von Innovationen und Krisen begleiteten Prozess.
Autorenportrait
Monika Burri ist promovierte Historikerin und freischaffende Kulturjournalistin. Sie war über zehn Jahre an der Professur für Technikgeschichte der ETH Zürich tätig und arbeitet seit 2011 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Staatsarchiv Aargau.
Inhalt
In Kleidern nackt. Eine Einleitung in die Geschichte der Trikotkleidung
I. Durchlüftung der bürgerlichen Garderobe – Trikotagen als Vorreiter einer bewegungsgerechten Bekleidungskultur
1. Von den 'Hosenlismern' zur Wirkwarenindustrie. Trikotfabriken und mechanische Strickereien als neue Akteure auf dem Fertigkleidermarkt
Wirkerei und Strickerei, Trikot und Maschenwaren: Begriffsklärungen
'Hosenlismer' und Strumpfweber: ein historischer Überblick
Industrialisierung der Produktionsmittel
Die Anfänge der schweizerischen Trikotindustrie
Der Schweizerische Wirkerei-Verein (SWV)
Fabrikmässige Produktionsorganisation
Fertigkleiderfabrikation im 19. Jahrhundert
2. Abhärtungswäsche für den männlichen Leistungskörper. Das Wollsystem des Stuttgarter Heilpraktikers Gustav Jaeger
Kleiderreform als Lebensreform
Gustav Jaegers wissenschaftliche Tätigkeit
Wollkleidung als Gesundheitsregime
Das 'Normaltrikothemd'
Die erfolgreiche Allianz von Trikotindustrie und Populärwissenschaft
Sport als Gebrauchsargument
3. Hemdhosen und Korsettüberzieher. Weibliche Unterkleidung zwischen Reformkleiddiskurs und Aussteuerkultur
Die bürgerliche Frauenkleidung
Stützwäsche als Medium der Geschlechterkonstruktion
Weisse Wäsche als Weiblichkeitsdomäne
Vorstösse zur Reformierung der Frauenkleidung
Vereinfachung der Unterkleidung
Strickkorsagen und Korsettüberzieher
4. Swiss ribbed underwear. Die schweizerische Feinstrickerei als innovative Exportindustrie
Von der Strumpfstrickerei zur Leibchenfabrikation
Produktinnovation swiss ribbed underwear
Aufschwung zur Weltindustrie
Themen der frühen Werbeunterlagen
Innovationsnetzwerke
Herausforderungen der Betriebsführung
Fabrikordnungen
Absatzpolitik als 'Reiserei' mit dem Musterkoffer
5. Trikotagen als Vorreiter einer bewegungsgerechten Bekleidungskultur. Fazit
II. Zwischen Eleganz und Sexappeal – Trikot wird gesellschaftsfähig
1. Die Figur als Blickfang. Mode, Medien und Maschenwaren in der Zwischenkriegszeit
Das neue Bild der Frau
Modediskurs und Haute-Couture-System
Jerseykleider und Kunstseidenstrümpfe
Begradigung der Unterkleidung
Die Figur als Blickfang der Strickwarenpräsentation
Die mediale Herstellung des Schönheitsideals
Formfester Bekleidungsunterbau
Die 'Wiederkehr der Weiblichkeit' in der Maschenwarenindustrie
2. Charmeuse-Wäsche. Die Allianz von Kunstseidenproduktion und Maschenwarenindustrie
Die Schweiz als Produktionsstandort der Kunstseidenindustrie
Genossenschaft der Kunstseideverbraucher in der Trikotagenbranche (GKT)
Die Allianz von Kettenstuhltechnologie und Kunstseidenproduktion
Damendessous aus Amriswil
Kunstseide als eigenständiges Garnmaterial
Endverbraucherorientierte Werbeaktivitäten
Forschungsfelder der Textilchemie
Koordination des Forschungsbedarfs
Texturierte Kräuselgarne
3. Sportanzüge und Badetrikots. Prototypen der körpernahen Second-Skin-Kleidung
'Sportgerecht' und 'sportmässig'
Der sichtbar gemachte Körper als Signum moderner Selbsttechnologien
Schwimm- und Badekostüme aus Trikotstoff
Vom Seebad zum Strandbad
Gemischtgeschlechtliche Körperkultur
Erste Schweizer Bademodeschau
Der Trikotbadeanzug als Prototyp der Second-Skin-Kleidung
Textil- und werbetechnisches Experimentierfeld
4. Mode aus Maschenstoff. Betriebswirtschaftliche Herausforderungen
Konjunktureinbruch der Zwischenkriegszeit
Inlandorientierung und Markenpolitik
Ambivalenz der Modeproduktion
Rentabilität durch Kostenstudium
Verwissenschaftlichung der Produktionsorganisation
5. Trikot wird gesellschaftsfähig. Fazit
III. Aufstieg der Unterwäsche – Maschenwaren als zweite Haut des Fitnesskörpers
1. Leitbild Jugend. Synthetikfasern, Massenkonsum und Strickkleidung
Jugendmode, Popkultur und Fertigkleiderindustrie
Synthetikfasern als Grundstoff des Massenmodemarkts
Systematisierung der Konfektionsgrössen
Technisierung der Produktion
2. Pullover und T-Shirts. Maschenwaren als multifunktionale Allroundkleidung
Wirkwarenkonsum und Lebensstilentwicklung
Automobile Garderobe
Casual Wear und American Look
Geschmackskompetenz und 'Jersey-Stil'
Public Relations des Schweizerischen Wirkerei-Vereins
Jugendliche Anti- und Kombinationsmode
Jeans-T-Shirt-Bequemkleidung
3. Slips und Pyjamas. Standardartikel für die Serienfabrikation
Der Slip als anatomiegerechte Schnittinnovation
Sortimentspolitik der Trikotfabrik Sallmann
Der Männerslip als Markenartikel
Händler- und Markenkommunikation
Differenz durch Veredelung
Professionalisierung der Werbesprache
Betriebswissenschaftliche Reorganisation
Solides Familiensortiment aus Sursee
4. Bodywear. Gestretchtes Anforderungsprofil der hautnahen Kleidung
Just-in-time-Produktion
Internationalisierung und Outsourcing
Emotionalisierung der Produktkommunikation
Lifestyle-Kollektionen
Unterkeidung als Oberkleidung
Der Körper als Bioaktie
Stretching und Stretchkleidung
Selbstmanagement mit Funktionstextilien
Bodyforming und Bodywear
5. Maschenwaren als zweite Haut des Fitnesskörpers. Fazit
Leitvision Second Skin. Fazit und Ausblick